Der Forscher blickt durch das Mikroskop. Auf der anderen Seite der Linsen befindet sich das Präparat. Bis seine Geheimnisse dem Wissenschaftler offenbar werden, hat das Präparat bereits mehrere Offenbarungsverfahren hinter sich, ist in chemischen Prozeduren gefärbt und getrocknet worden, wurde beschnitten und zwischen zwei gläsernen Objektträgern fixiert. Nur seine Anreicherung mit bestimmten Farbstoffen – oft auch mit Uran, Phosphowolframsäure oder Blei – kann Kontraste auf dem Objekt entstehen lassen, die seine Identifizierung möglich machen. Erst gefärbt und beschnitten gewinnt der WIssenschaftler aus dem Präparat seine diagnostischen Erkenntnisse; durch einen Objektträger, der kaum mehr als vier Quadratzentimeter misst.
Der Laie blickt durch das Mikroskop und wird die wissenschaftlichen Zusammenhänge nicht zu deuten wissen. Was hat es zu bedeuten, dass eine Fläche unter der Vergrößerung aufleuchtet, anderes ermattet? Die Konturen bleiben für ihn willkührlich.
Der Künstler blickt durch das Mikroskop und erkennt in den Farb- und Formspielen seine Muse. Die Malerin Linda-J. Knop hat so den Präparaten eine weitere Phase in ihrer Bearbeitung angehängt: Nach dem Färben und Fixieren hat sie die Formen und Farben als großformatige Malerei übertragen. Die künsterlische Übersetzung des wissenschaftlichen Themas erlaubt nicht nur, mit einem äthetischen Blick an die Organschnitte menschlicher und tierischer Körper heranzugehen, sondern verleiht auch dem Betrachter, dem Laien, Deutungsmacht. Knops Kunst schafft die Vereinigung von Wissenschaft und Kunst, indem die mikroskopisch kleinen Bildausschnitte überlebensgroß über sich hinauswachsen und zur bildenden Kunst werden dürfen, gleichzeitig aber im Kontext der Wissenschaftlichkeit verankert bleiben – immer bleibt ihr laboratorischer Ursprung bewusst. Es sind Bilder der Wissenschaft, die zur Kunst als Bild werden – wahre Bildung, gerade in der Snythese ein Erkenntnisgeweinn.
„4cm² – Interventionsausstellung von Linda-J. Knop“ im Präparatesaal des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité. Die Eröffnung findet am 27. September um 19:00 Uhr in der Hörsaalruine statt, die Sonderausstellung bleibt bis zum 12. Januar.