Oranienstraße - Berlin ist die Hauptstadt der Craft-Beer-Bewegung. Nicht nur Nachwuchs-Brauer produzieren hier besondere Biere, auch die Auswahl an Craft-Beer-Bars und Bierläden wächst stetig. Eine Institution und gleichzeitig Geheimtipp ist die Kreuzberger Biererei. Hier verkauft Cihan Caglar rund 600 verschiedene Biersorten - Tendenz steigend.
Cihan Caglar liebt Bier. Aus gutem Grund tauschte der studierte Politikwissenschaftler seine Hochschullaufbahn gegen den Kreuzberger Bierladen Biererei. Während eines Praktikums in Brüssel entfachte seine Faszination für Craft Beer. Die reiche, belgische Bierkultur öffnete den damals noch durchschnittlichen Biertrinker die Augen. „Seitdem lässt mich gutes Bier nicht mehr los und umgekehrt“, sagt der hochgewachsene Mann, der sowohl Deutsch, Englisch als auch Türkisch fließend spricht. Zurück in Deutschland entschloss er sich, die Biererei zu eröffnen. „Mich reizte der Gedanke, ein Geschäft zu gründen und es zum Erfolg zu führen.“
Biererei in Kreuzberg: 600 Biersorten
Mittlerweile bietet das Sortiment in der Biererei rund 600 verschiedene Biersorten, die meisten höchstpersönlich von Cihan Caglar zuvor verköstigt: „Ich versuche, jedes Bier, das ich ins Sortiment aufnehme, auch zu probieren. Bei einem stetig wechselnden und wachsenden Sortiment, ist das eine fortwährende und natürlich vollkommen uneigennützige Aufgabe, bei der mir meine Freunde gerne zur Hand gehen.“ Auch eine eigene Flaschenfüllanlage, eine sogenannte Growler Filling Station, nennt Cihan Caglar mittlerweile sein Eigen. So können Kunden der Biererei sich Bier direkt vom Fass in Flaschen abfüllen lassen und mit nach Hause nehmen. „Sozusagen Fassbier to Go“, erklärt der hochgewachsene Ladenbesitzer.
Vor allem der Spielraum, wie viel an unterschiedlichen Geschmäckern erreicht werden kann, ohne künstlich oder natürlich gewonnene Aromastoffe verwenden zu müssen, begeistert Caglar am handgemachten Bier. Dabei entstehen zum Teil durchaus eigenwillige Geschmackskompositionen: „Da gibt es zum Beispiel ein Ale, das mit Reis, Safran, Olivenöl und Meeresfrüchten gebraut wurde: ein Ale mit Paella“, erzählt der „Biererei“-Besitzer. Ein anderes Bier wiederum werde von einer norwegischen Brauerei in Australien hergestellt und in benutzten Portweinfässern nach Europa verschifft. Das Gebräu reift wie ein Aquavit, ist großen Temperaturschwankungen ausgesetzt und wird unaufhörlich bewegt. Das Außergewöhnlich liegt nicht in den Zutaten, sondern im Herstellungsverfahren. Doch nicht nur das Craft Beer selbst schätzt Cihan Caglar, auch „die Nähe zwischen Brauern und Biertrinkern, die Möglichkeit, nachfragen zu können“ mache die Craft-Beer-Szene so besonders. Aus gutem Grund werden auch in der Kreuzberger Biererei hin und wieder „Meet-the-Brewer-Events“.
Nur die besten Biere
Die Frage, ob er auch industriell hergestellte Biere trinken würde, verneint der 26-Jährige. Und auch das hat seinen Grund: „Wenn man eine Großbrauerei nach dem im Bier verwendeten Hopfen fragt, hört man oft: ‚Das ist ein Geschäftsgeheimnis‘. Zu solchen Geheimnissen zählt dann die Beigabe von Eiweiß zur Trübung von klaren Weißbieren, die Filtrierung des Bieres mit Plastikpartikeln, Fischgelatine oder Kieselgur und weitere unappetitliche Angelegenheiten. Sowas gibt es bei Mikrobrauereien mit Leidenschaft für gutes Bier nicht!“
Leider mache sich der Satz „Gebraut nach deutschen Reinheitsgebot“ noch zu gut auf den Etiketten. „Kommt man auf den Gedanken, der Würze beispielsweise Honig beizugeben, droht das Bier verboten zu werden“, beklagt Cihan Caglar. Bei der stetig wachsenden Craft-Beer-Szene in Berlin und anderorts, fragt sich allerdings, wie lange das noch so bleiben wird.