Ein Keller als begehbare Leinwand – frei bemalbar ohne Zensur oder Vorgaben der Regierung. Das muss ein Traum gewesen sein für die Berliner Meisterschüler, die sich hier endlich künstlerisch ausdrücken durften. Die Wandmalereien, die an manchen Ecken fast schon etwas von Hieroglyphen haben, geben Zeugnis von einer jungen Opposition in der Ostberliner Malerei. Zu Fasching 1957 und 1958 malte hier im Keller der Akademie der Künste die Meisterschülergeneration mit Manfred Böttcher, Wieland Förster, Dieter Goltzsche, Harald Metzkes, Ernst Schroeder, Werner Stötzer und Horst Zickelbein.
Entstanden sind Kunstwerke, die sich gegen den verhassten, staatlichen Realismus richteten. Die Wandmalereien sollten auch einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Kunstrichtung Berliner Schule haben. An den Wänden findet man hier Einflüsse der Schwarzen Periode und moderner Klassik. Oft malten auch verschiedene Künstler gemeinsam an einem Bild: Die Schlapphüte von Metzger tauchen im gleichen Gemälde wie die charakteristischen Hasenzähnen und Augen von Böttcher auf. Oft wussten selbst die Künstler später nicht mehr, wer genau damals welches Bild gemalt hatte, erfahren wir bei der Führung.
Stellvertreterkrieg in der Kunst
Der erbitterte Clinch um die Meisterschüler rührte daher, dass in der Nachfolge der Preußischen Akademie der Künste die Tradition der Meisterschülerausbildung nur in der DDR weitergeführt wurde. Hier durften Künstler für zwei Jahre relativ unabhängig in den Ateliers arbeiten. Doch in der kulturpolitisch brisanten Zeit der 1950er und 1960er Jahre kam es zu heftigen Debatten um die Meisterschülergeneration. Erstes Opfer war der Direktor und Bildhauer Fritz Cremer, der kurz vor dem Mauerbau 1961 eine Ausstellung mit junger Kunst organisierte. Doch die Veranstaltung führte zum kulturpolitischen Eklat. Cremer und auch der Akademiepräsident Otto Nagel mussten zurücktreten. Die Kunstwerke der Meisterschüler wurden als „abseitig, unzeitgemäß“ und „Konservenkunst“ beschimpft.
Angesichts dieses öffentlichen Drucks entlud sich unter dem Deckmantel der Faschingsdekoration die Lust am Experimentieren eben unter der Erde statt vor den Augen der Öffentlichkeit: mit einem großen Topf schwarzer Farbe sowie bunten, wilden und freien Gemälden. Diese künstlerische Unbefangenheit ist erkennbar an der wilden Kombination von Stilen und Farben, die kaum einen Meter Mauerwerk frei lässt: Viele Bilder des ersten Faschings mit dem Motto „Wilderer“ – bei dem der Förster die Staatsmacht darstellte – wurden beim zweiten Fasching übermalt und sind nicht mehr zu erkennen. Nur vereinzelt schimmert noch ein Teil eines alten Kunstwerks hervor. Die ausgestellten Werke zeugen allesamt von einer Sehnsucht nach Vitalität in der deutschen Nachkriegszeit.
Einmaliges Zeugnis der Berliner Kunstgeschichte
Der Bilderkeller war aber nicht nur ein Ort des Widerstands, sondern auch des künstlerischen Schaffens und der Begegnung, auch für Frauen in der Malerei. Der Bilderkeller ist der einzige Gebäudeteil, der von der Akademie der Künste original erhalten geblieben ist und schon alleine deshalb sehenswert. Außerdem gibt er Einblicke in die Entstehung einer Kunstrichtung, die damals im öffentlichen Raum nicht gezeigt werden konnte. Den 30 Jahre lang verschlossenen Bilderkeller zu besichtigen ist eine einmalige Gelegenheit: Er ist ein wertvolles Zeugnis der Berliner Kunstgeschichte und bietet außerdem eine einmalige Austellungsatmosphäre.
Die Führungen dauern eine Stunde und kosten fünf Euro, derzeit sind aber alle Termine ausgebucht. Wegen des großen Andrangs versucht die Akademie der Künste, bald neue Termine für Führungen zu veröffentlichen.