Man sagt: Ein Berliner bleibt in seinem Bezirk. So auch Frans Zimmer aka Alle Farben. Er ist im Bergmannkiez groß geworden, zur Schule gegangen und seitdem hier geblieben. Auch wenn er mittlerweile viel in der Welt unterwegs ist, aus seinem Kiez will er nicht weg. Warum das so ist, das hat er uns bei einer Runde durch seinen Kiez einfach selbst gezeigt. Unser Startpunkt ist die Marheineke Markthalle im Bergmannkiez. Frans erzählt uns, dass die Markthalle vor allem während seiner Schulzeit Dreh- und Angelpunkt war. Hier hat man sich in den Pausen den ein oder anderen Snack gegönnt. Nach der Schule war sie der Treffpunkt um loszuziehen. Früher standen noch halbe Hähnchen hoch im Kurs. Heute kommt Frans hauptsächlich für guten Fisch her.
„Um 16 Uhr kam die Polizei und gab uns den Tipp, die Fenster zu schließen“
Seine Wohnung liegt keine fünf Minuten von der Markthalle entfernt. Als er dort eingezogen ist, hat er sich noch ganz alte Schule bei allen Mietern vorgestellt. Vielleicht nur aus Höflichkeit, vielleicht aber auch, weil er weiß, wie sehr er eine gute Homeparty mit netten Nachbarn schätzt. Seine legendärste war die Abrissparty seiner jetzigen Wohnung, bevor er sie renoviert hat. „Wir haben extra um zwölf Uhr mittags angefangen, weil wir dachten dann geht’s maximal bis 22 Uhr“, erzählt Frans, „um 16 Uhr kam die Polizei und gab uns den Tipp die Fenster zu schließen.“ Drei Häuser weiter hätten sich Anwohner beschwert. „Das haben wir gemacht und konnten noch lauter sein. Um sechs Uhr bin ich gegangen.“ Um das kurz festzuhalten: aus seiner eigenen Wohnung. „Ein paar andere haben noch weiter gefeiert. Bis heute meine coolste Homeparty“, sagt er. Das glauben wir sofort und sind ein bisschen traurig, nicht dabei gewesen zu sein. Aber schön zu wissen, dass ein DJ und Musikproduzent seine Sache nicht nur liebt, sondern auch lebt. Da gibt es auch gerne mal 30 Liter Margarita aus einer Cocktailmaschine, die er zu seiner letzten Homeparty im September geordert hat. Der Laden, aus dem die Maschine kam, war früher der Plattenladen, in dem er gearbeitet hat, um sich seine Leidenschaft finanzieren zu können. So schön kann sich ein Kreis schließen.
Auf die Frage, wie seine Nachbarn seine Partys so wegstecken, erzählt uns Frans, dass er mit allen gut klar käme. „Bis auf eine Wohnung“, sagt er. „Die sind über die Jahre schwierig geworden. Aber gut, die wohnen eben auch dort und wenn sie ihre Ruhe haben wollen, dann ist das so. Auch wenn ich Homepartys sehr gerne mag.“ Rücksichtsvoll! Auch wenn wir finden, dass man sich in einer Stadt wie Berlin nun wirklich nicht so anstellen sollte, wenn es ab und an mal lauter wird. Auch über, unter oder neben einem. Aber genug von Homepartys, wir wollen Eis!
Auf dem Weg zu Vanille&Marille kommen wir an den viel diskutierten Parklets und skurrilen grünen Punkten vorbei. Und wen könnte man besser zu diesem Thema befragen, als einen der hier schon immer lebt? Frans hat dazu eine klare Meinung: „Ich finde, das ist Geldverschwendung. Statt hier einfach etwas hinzustellen, hätte man den Kiez doch fragen können, was er braucht. Ich persönlich hätte am liebsten eine Fußgängerzone aus der Bergmannstraße gemacht, aber das wird wohl nicht passieren.“
Was für uns unvorstellbar ist, geht bei Frans aus gutem Grund ganz fix: Die Wahl der Eissorte. Er hat eine Vanille-Allergie, von der wir bisher gar nicht wussten, dass es sie überhaupt gibt. Deshalb kommen die meisten Sorten für ihn nicht in Frage. Mango macht schließlich das Rennen. Mit dem Eis in der Hand schlendern wir in Richtung Viktoriapark. Auf dem Weg dorthin kommen wir am Studio eines Freundes vorbei, in dem er derzeit selbst viel Zeit verbringt, um an seinem Album zu arbeiten. Zu Hause wird bei Frans nicht gearbeitet, da wird die Wäsche gemacht! Selbst ist der Mann. Finden wir gut. Um Prokrastination zu vermeiden, muss er vor die Tür. „Der Weg zum Studio gehört für mich zum Arbeitsprozess dazu“, erzählt Frans.
Aus dem Club in die Backstube
Wir kommen auch an einer Straße vorbei, in der früher das Café war, in dem Frans gearbeitet hat. Ohne dieses Café und ohne einen wirklich guten Himbeer-Haselnusskuchen wäre er jetzt wahrscheinlich nicht dort, wo er ist. Denn als der Konditor des Cafés die Ofenhandschuhe warf, wurde Frans vom Service in die Küche geschickt. Er sollte sich am Backen probieren. Das klappte so gut, dass er ab seinem ersten Kuchen – Himbeer-Haselnuss – für alle weiteren verantwortlich war. „Ich hatte einen Schlüssel für die Küche und konnte rund um die Uhr dort rein. Wenn ich also am nächsten Tag vier Kuchen fertig haben musste und vorher zu faul oder anders beschäftigt war, bin ich dann auch um vier Uhr morgens in den Laden, um zu backen. Auch direkt aus dem Club. Hauptsache, ich hatte meine Arbeit fertig. Dementsprechend war der erste Kuchen ein sehr wichtiger Kuchen“, erklärt Frans. Durch die Arbeit am Ofen hatte er genug Flexibilität für sein Hobby. Das sei wichtig für seinen Prozess gewesen. Können wir uns gut vorstellen. Tracks produzieren und nachts in Clubs auflegen passt eben nicht mit einem klassischen Nine to Five-Job zusammen.
Zurück in die Gastronomie möchte und muss er nicht mehr, in der Küche steht er trotzdem gerne. „Am liebsten koche ich selbst. Ich achte gerne auf meine Ernährung. So kann ich kochen, wie es schmeckt und Spaß macht“, verrät er uns. Am meisten profitieren seine Freunde. „In der Regel gibt es bei mir jeden Dienstag Dinner-Abende. Die fallen nur aus, wenn ich nicht in der Stadt oder wirklich doll krank bin.“ Wenn er doch mal essen geht, bekommt er sein Wohlfühlessen bei Umami. „Letzten Sommer habe ich dort viel gegessen. Meistens Fish Pot oder Monks Bowl.“ Man merkt, die Sache mit dem guten Fisch zieht sich bei Frans durch.
Im Viktoriapark die Aussicht genießen
Hoch auf dem Kreuzberg im wunderschönen Viktoriapark sagt uns Frans, dass er absolut kein Fußballfan ist. Während eines Deutschland-Spiels ging er lieber mit einer Freundin hierher auf den Kreuzberg. „Als wir dort oben saßen, kam ein Fuchs raus. Der fand das auch super, dass Deutschland gespielt hat, aber eben anders. Das ist sowieso mein Tipp: Während Deutschland spielt an Orte gehen, die sonst super überfüllt sind.“
Wir genießen die Aussicht. Denn abgesehen von den zerbrochenen Glasflaschen hat man hier einen tollen Blick. „Da habe ich mal bei einem illegalen Rave gespielt“, erzählt Frans grinsend und zeigt auf eine gegenüberliegende Brauerei. „Mittlerweile kann man dort wohnen. Das ist doch eigentlich das beste Beispiel für Gentrifizierung.“ Da fällt ihm gleich noch eine Anekdote ein: An einem feuchtfröhlichen Abend traf er einen befreundeten DJ und dessen Kumpel. Nach ein paar Minuten „Irgendwoher kennen wir uns“-Gerätsel fiel der Groschen: Der Kumpel war sein Hausarzt. „Den Lehrer oder Arzt beim Feiern zu treffen, das muss nicht sein. Natürlich sind das auch nur Menschen, aber ich will auch nicht wissen, wann jemand aufs Klo geht. Auch das muss passieren, aber ich will das nicht mitbekommen.“
Das Tempelhofer Feld ist ein weiterer Schlüssel-Ort für die Karriere von Alle Farben. 2012 spielte er hier zum Electro Swing Club Open Air am 1. Mai ein Drei-Stunden-Set und das zur Hauptzeit. Ein Sturm, der das Tempelhofer Feld ausließ, sorgte dafür, dass aus den ursprünglich angekündigten 5000 Menschen 30.000 wurden, die zu der Musik von Frans den freien Tag zelebrierten. Verständlich, dass ihm da die Muffe ging. „Gegen meine Aufregung wollte ich etwas trinken. Damit meine Eltern nicht sehen, dass ich auf der Bühne Alkohol trinke, haben wir Marillenschnaps in eine Wasserflasche gefüllt“, erinnert sich der Kreuzberger. „Weil es so heiß war, wurden die Leute in den ersten Reihen mit den angefangenen Flaschen Wasser bespritzt. Mein Kumpel hat nicht drauf geachtet, meine umgefüllte Flasche gegriffen und die erste Reihe schön mit Schnaps vollgespritzt.“
„Mein erstes Album wird Gold, habe ich gesagt. Wurde es nicht. Dafür aber meine erste Single.“
Das Publikum hat es ihm sicher verziehen, wahrscheinlich hätten sie sogar gern noch etwas mehr vom Marillenschnaps bekommen. Und seine Eltern, die man in der zweiten Reihe des Videos zu seinem Auftritt sieht, sicher auch. Wie bei so vielen Dingen im Leben wäre der Marillenschnaps nicht in der Menge gelandet, hätte ihm nicht jemand eine Chance dazu gegeben. Wer ihm auch eine Chance gegeben hat: der Besitzer der Bar LUX, in der Frans lange Zeit Resident-DJ war. „Er war wie ein zweiter Papa für mich. Wenn ich irgendwo für ein Bier hingehe, dann dorthin“, sagt er. Das klingt auf jeden Fall nach: zur richtigen Zeit am richtigen Ort und einer Prise Glück. Das weiß Frans: „Es gehört immer Glück dazu. So wie es Glück war, dass ich am 1. Mai drei Stunden zur Hauptzeit spielen konnte.“ Aber eben auch, dass sich Gutes durchsetzt. Egal ob groß oder klein. „Ich bin jemand, der gerne nach den Sternen greift“, sagt er selbstbewusst. „Mein erstes Album wird Gold, habe ich gesagt. Wurde es nicht. Dafür aber meine erste Single. Damit habe ich nicht gerechnet.“ Der kleine Frans, der mit 17 ausrangierte Platten des Nachbarn im Hausflur fand, sicher auch nicht. „Ich setze mir gerne utopische Ziele. Mein nächstes ist ein Welthit.“
Bei den immer größer werdenden Features, mit Künstlern wie etwa James Blunt, lässt der wahrscheinlich nicht mehr lange auf sich warten. Vielleicht ist er ja sogar schon auf seinem aktuellen Album Sticker on my Suitcase dabei. Wir gönnen es Frans aka Alle Farben jedenfalls. Und auch wenn wir nach der langen Tour die ein oder andere Blase am Fuß haben, ein bisschen tanzen mit Alle Farben im Ohr ist noch drin. „Far away, far away. In the place with marmalade skies…“
Noch mehr Infos findest du auf der Website von Alle Farben. Da kannst du auch das neue Album Sticker on my Suitcase bestellen. Außerdem steht Alle Farben am 13.Dezember in der Verti Music Haal auf der Bühne.