Durch den Kiez

Anne Ratte-Polle: "Ich fange hier an zu träumen"

Anne Ratte-Polle lebt nicht nur im Prenzlberg, sie kennt ihn auch in- und auswendig.
Anne Ratte-Polle lebt nicht nur im Prenzlberg, sie kennt ihn auch in- und auswendig.
Anne Ratte-Polle hat einiges um die Ohren: Drehs für Film und Fernsehen stehen genauso auf dem Programm wie regelmäßige Theaterauftritte. Trotzdem hat sich die sympathische Schauspielerin einen Nachmittag Zeit genommen, um mit uns durch ihren Prenzlberg zu schlendern.

Wir treffen Anne im Café Colombina – zwischen Kollwitzkiez und Winskiez, wo sie seit vielen Jahren Zuhause ist. Von A nach B kommt die Wahl-Berlinerin hier am liebsten mit dem Drahtesel: „Ich fahr ganz viel mit dem Fahrrad in Berlin, damit kann ich alles gut erreichen.“ Und auch zu unserem Treffen wollte sie mit ihrem praktischen Hollandrad kommen. Doch wie es der Zufall wollte, wurde das am Morgen, nur wenige Stunden zuvor, geklaut. Ihrer guten Laune und Motivation tut das trotzdem keinen Abbruch.

Bei einem Espresso erzählt uns Anne, die regelmäßig auf Berlins Theaterbühnen steht, wie sie überhaupt zur Schauspielerei gekommen ist: Schon als Kind hat sie gerne geschauspielert. Trotzdem wollte sich die gebürtige Cloppenburgerin mit dieser Leidenschaft Zeit lassen und zog nach dem Abitur erst einmal nach Münster, um Grundschulpädagogik zu studieren. Während sie dort in studentischen Theatergruppen spielte, wurde ihr klar, dass sie hauptberuflich Schauspielerin werden möchte und nahm kurze Zeit später das Studium in Rostock auf. Danach lebte und arbeitete sie in verschiedenen Städten, bevor sie 2005 schließlich nach Berlin zog.

Im Prenzlberg ist Anne zuhause

Seitdem nennt sie den Prenzlberg ihr Zuhause – und dass sie hier gerne lebt, merkt man ihr auch an, denn nach unserem Espresso spaziert Anne mit uns nicht nur durch ihren Kiez, sondern durch den halben Bezirk. „Eigentlich war mein Plan alle drei Jahre in einen anderen Stadtteil umzuziehen. Das ist dann ja wie in eine andere Stadt zu ziehen – aber irgendwie ist daraus nichts geworden. Ich bin hier hängen geblieben“, verrät uns die Schauspielerin. Besonders am schönen Prenzlberg gefällt ihr, dass quasi in jeder Straße eine andere Stimmung und Atmosphäre herrscht.

Als wir ein kurzes Stück entlang der Prenzlauer Allee schlendern, erzählt uns die „Wanja“-Hauptdarstellerin, dass sie gerade die noch ursprünglichen und etwas chaotischen Läden hier sehr gerne hat: „Die sind irgendwie noch so ein bisschen wischiwaschi. Das mag ich sehr, neben dem jetzt ja doch sehr aufgeräumten Kollwitzkiez.“ Trotzdem führt unser Weg uns daraufhin geradewegs in die schicke Gegend rund um den Kollwitzplatz. Als der Wasserturm in unser Sichtfeld rückt, beschließen wir spontan hinauf zu dem kleinen Park rund um den Turm zu schlendern: „Im Sommer ist das hier ein kleines Woodstock – viele Familien und junge Leute.“ Auf den schönen grünen Wiesen sollten vor einiger Weile Cafés und Restaurants entstehen. Dieses Vorhaben konnte allerdings durch Proteste der Anwohner verhindert werden – darüber ist auch Anne glücklich: „Dort unten sind überall Cafés und dann geht man hier hoch und hat so eine Ruhe. Eine Insel.“ Oben angekommen setzt sich Anne erst mal ihre schicke Sonnenbrille auf. Die hat sie übrigens vom Flohmarkt auf dem Arkonaplatz, den sie uns wärmstens ans Herz legt: nicht so touristisch und auch von der Größe sei der genau richtig.

Kostüme oder Accessoires anlegen heißt es auch regelmäßig auf der Arbeit in Berlins Theatern. Aktuell spielt Anne im zeitgenössischen, norwegischen Stück Nichts von Mir am Berliner Ensemble. Gemeinsam mit zwei weiteren Kolleginnen verkörpert sie eine einzige Rolle, die weibliche Hauptrolle. Und auch die männliche Hauptfigur wird von drei Schauspielern gleichzeitig gespielt. „Das ist so ein Experiment, was ich sehr gelungen finde – was mir sehr viel Spaß macht zu spielen“, erzählt sie begeistert.

Deutschlands erste Netflix-Serie „Dark“

Doch nicht nur das Theater ist ihr Zuhause, auch vor der Film- und Fernseh-Kamera steht die Schauspielerin nicht selten. So kennen sie viele aus dem Kino oder von ihren diversen Tatort- und Krimi-Auftritten. Seit Anfang Dezember ist sie außerdem in der ersten deutschen Netflix-Serie Dark zu sehen. Die wird gerade schon ganz schön gehypt und auch was Anne uns so davon erzählt, klingt vielversprechend: Die Serie spielt in einer deutschen Kleinstadt und dreht sich um das Verschwinden von zwei Kindern – mysteriös und komplex soll es dabei zugehen. Na, wir sind schon gespannt!

Während wir vor uns hinschlendern, stoßen wir auf den Antiquitätenladen kunst-a-bunt und spitzen direkt einmal hinein. „Den gibt es auch schon seit Ewigkeiten“, weiß Anne, während sie schicke alte Vasen, Lampen und Figuren mustert. Zum Shoppen geht es für sie auch regelmäßig auf den Markt am Kollwitzplatz. Der Wochenmarkt jeden Samstag ist mittlerweile allerdings recht groß geworden, findet die Schauspielerin. Ihr Tipp: der Ökomarkt, der immer donnerstags stattfindet: „Da sind wirklich fast nur Bauern aus der Umgebung und die verkaufen ihr eigenes Gemüse, das total lecker und auch nicht so teuer ist. Da bin ich ganz gerne.“

Weiter geht’s entlang der Husemannstraße, die Vorzeigestraße der DDR, wie uns Anne ganz City-Guide-mäßig aufklärt. Als wir am israelischen Restaurant Zula vorbeilaufen, fängt die Schauspielerin an, von den vielen leckeren Sorten Humus dort zu schwärmen. Trotzdem geht es für uns noch ein paar Schritte weiter, bis sie uns schließlich in die Werkstatt der Süße, einen Kuchen- und Tarte-Laden, führt: „Hier gibt es die leckersten Kuchen in ganz Berlin.“ Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen und gönnen uns ein paar von den leckeren, kleinen Tartes. Den süßen Laden gibt es übrigens schon seit fast zehn Jahren – Anne hat ihn allerdings erst vor zwei Monaten entdeckt. Seitdem ist sie aber auch bekennender Fan.

Vom Kollwitzkiez in den Helmholtzkiez

Nach dem kleinen Zucker-Overload geht unsere ultimative Prenzlberg-Tour weiter Richtung Helmholtzkiez. Todesmutig stolpern wir über die Straßenbahngleise der Danziger Straße, die Anne besonders zur Abendzeit sehr gerne hat. „Dort geht immer die Sonne unter und man hat einen wunderschönen Himmel. Ich fange hier an zu träumen. Ich komme hier auf gute Gedanken“, erzählt sie und zeigt mit der Hand gen Westen die Straße entlang.

Doch oft wird man hier auch aus seinen Träumen gerissen, denn wie überall in Berlin unterliegt auch der gute, alte Prenzlberg einem stetigen Wandel. Das fällt auch Anne regelmäßig auf: „Dann fährt man da hin und: gibt’s nicht mehr. Wie heute morgen das Fahrrad. Gibt’s nicht mehr! Das Gefühl habe ich permanent!“ Gerade deshalb aber schwärmt sie von der Schönhauser Allee, der Prenzlauer Allee und der Danziger Straße, die ihrer Meinung nach noch etwas ursprünglicher geblieben sind und sich von der Atmosphäre nicht ganz so stark verändert haben.

Eigentlich wollte Anne mit uns noch einen weiteren kulinarischen Zwischenstopp im Gingi’s Izakaya, einem kleinen aber edlen Japaner, einlegen. Da der allerdings nur abends geöffnet hat, sind wir von Japanisch auf Chinesisch umgestiegen. Genauer gesagt: auf Dumplings im Lecker Song im Helmholtzkiez. Während wir unsere leckeren, gefüllten Teigtaschen mampfen, plant die Wahl-Prenzlbergerin fleißig unsere weitere Tour. Später am Nachmittag hat sie auch noch eine Kostümprobe – bis dahin steht noch viel auf dem Programm. Wenn Prenzlberg, dann auch richtig!

Als wir satt und zufrieden weitergehen, oder eher marschieren (volles Programm und so), läuft Anne direkt zwei befreundeten Kollegen in die Arme. „Mit denen habe ich mal den Kurzfilm Illusion gedreht. Da habe ich eine Straßenbahn-Kontrolleurin gespielt, die ihren Job verliert und dann schwarz weiter kontrolliert“, erzählt sie uns, während wir zum schicken Second-Hand-Laden Dear laufen. Dort angekommen müssen wir natürlich auch kurz reinsehen und Anne versucht sich an schicken Hüten, Jäckchen und Taschen. Im Anprobe-Rausch wird sie direkt nochmal von einem jüngeren Kollegen angesprochen und ist sich für einen kleinen Plausch nicht zu schade. Ja, im Prenzlberg kennt man sich eben.

Nach dem süßen Shop möchte Anne uns unbedingt noch das Lichtblick Kino in der Kastanienallee zeigen – eine ganz schöne Ecke von hier und dazu haben wir noch Zeitdruck. Aber kein Problem, dann fahren wir eben den Rest mit den Öffis. Als wir an der Schönhauser Allee auf die U-Bahn warten, muss Anne an die Musiker denken, die hier regelmäßig spielen und gerät ins Schwärmen: „Da sind oft so tolle Konzerte, dass ich stehen bleibe.“

Mit den Öffis durch den Prenzlberg

Da wir trotz Öffis recht spät dran sind, zückt Anne kurzerhand ihr Handy und verschiebt ihre Kostümprobe mir nichts, dir nichts bereits ein zweites Mal nach hinten. An der Eberswalder Straße angekommen sprinten wir fix über die Straße und hüpfen in die heranrollende Tram. Während der Fahrt entlang der Kastanienallee zeigt Anne aus dem Fenster auf das Schwarzsauer: „Das ist für mich eine Kneipe, die ihre schöne Atmosphäre trotz der berühmberüchtigten Berliner Schnelllebigkeit nie verloren hat. Ich mag es da sehr.“

Als das Lichtblick Kino in unser Sichtfeld rückt, hüpfen wir aus der Straßenbahn. Das kleine Lichtspielhaus hat es der Schauspielerin angetan: „Die haben ein gutes Programm. Ich bin sehr froh, dass es das hier gibt.“ Anne springt direkt das Plakat von Chance 2000, einem Dokumentarfilm des verstorbenen Film- und Theaterregisseurs Christoph Schlingensief, ins Auge. Obwohl sie uns gerne noch von ihrem geschätzen Kollegen erzählen würde, drängt bei ihr leider wirklich die Zeit. Mit einem Blick auf die Uhr verabschieden wir uns deshalb von der unglaublich sympathischen Schauspielerin und lassen sie nun endlich zu ihrer Kostümprobe.

Lecker Song, Schliemannstraße 19, 10437 Berlin

Telefon 030 26374447

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