Tagesspiegel-Serie zu Berliner Plätzen

Antonplatz: laut, trostlos, ungemütlich

Weißensee: Einladend sieht der Antonplatz mit seinen grauen Platten nicht gerade aus.
Weißensee: Einladend sieht der Antonplatz mit seinen grauen Platten nicht gerade aus.
Ein Verkehrsknotenpunkt mit dreckigen Steinplatten ohne jeglichen Charme - der Antonplatz in Weißensee hat einen Neuanstrich dringend nötig.

Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner glaubt fest daran: Weißensee ist im Kommen. Immer mehr junge Familien siedeln sich hier an, Baugruppen lassen sich genauso nieder wie neue Geschäfte. Dann gibt es da noch die vielen Touristen, die den Jüdischen Friedhof besichtigen, den größten seiner Art in Europa. „Die Entwicklung der Gegend ist hochinteressant“, meint Kirchner. Eine Schwierigkeit gibt es allerdings: Weißensees „Aushängeschild“! Denn wer nach Weißensee fährt, dessen Weg führt am Antonplatz vorbei. Und der beeindruckt nun nicht gerade – weder optisch noch akustisch.

Der Antonplatz kurz hinter der Grenze zu Prenzlauer Berg ist ein Verkehrsknotenpunkt, im nördlichen Teil von der Langhans- und der Max-Steinke-Straße flankiert und durchzogen von der vierspurigen Berliner Allee. Hier laufen drei Straßenbahnlinien zusammen, zu Hochzeiten saust alle fünf Minuten eine Tram vorbei. Dabei ist er doch eine Art Pforte zu Weißensee. „Ein schönes Willkommen ist das für die Besucher nicht“, sagt der Grünen-Politiker und Leiter der Abteilung Stadtentwicklung Jens-Holger Kirchner. Hier bleibt niemand länger als nötig. Denn es ist laut, trostlos, ungemütlich.

Ein Konzept, das keines ist

In der Mitte gibt es eine Uhr, außen herum stehen teils ruinierte Bänke, auf denen Alkoholiker gerne ihren Rausch ausschlafen. Die Gehwegplatten sind dreckig. Nach der Neugestaltung des Platzes um die Jahrtausendwende seien die mal gelb gewesen, meinen Anwohner. Grob erahnen lässt sich das Begrünungskonzept, auch wenn es kein wirklich gelungenes ist. Sieben Bäume säumen den nördlichen Teil des Platzes. Eigentlich sind es eher windschiefe Gewächse mit winzigen Kronen.

Ein trostloser Anblick, findet Katharina Hildebrandt. Sie führt hier mit ihrem Mann seit 1992 eine Apotheke, anfangs in der Berliner Allee, seit fünf Jahren direkt am Platz. Das Haus, in dem sich die Apotheke befindet, ist ein sechsstöckiger Neubau aus den neunziger Jahren, mit einer eigentümlichen Fensterfront. „Ohne Sinn und Verstand“ sei hier nach der Wende gebaut worden, sagt Katharina Hildebrandt. Jens-Holger Kirchner bringt es noch deutlicher auf den Punkt: „Diese Bauten wurden damals einfach hingerotzt und wären so heute nicht mehr denkbar. Das ist ein städtebauliches Verbrechen.“ Auch die Platzgestaltung findet er mehr als lieblos.

Weißensee hat eine langjährige Filmtradition

Historische Aufnahmen zeigen: Hier sah es einmal schöner aus. Mitte des 19. Jahrhundert wurde der Antonplatz als Stadtplatz konstruiert. Es entstanden drei- bis vierstöckige Bürgerhäuser, eine Grünanlage bildete das Zentrum, und früher stand hier sogar ein Denkmal.

Heute ist das 1920 als „Decla Lichtspiele“ eröffnete Kino „Toni“ mit seinem roten Leuchtschriftzug der einzige Lichtblick. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude teils stark zerstört, weswegen der Betrieb eingestellt werden musste. Drei Jahre dauerten die Reparaturen. Dann öffnete das Haus 1948 unter seinem jetzigen Namen die Pforten. Das „Toni“ ist einer der wenigen Locations, die an die langjährige Filmtradition Weißensees erinnern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es rund um den Antonplatz sieben Lichtspielhäuser. Hollywood-Legende Marlene Dietrich stand in den legendären Studios von Joe May in der Berliner Allee zum ersten Mal vor der Kamera.

Vor allem der nördliche Teil muss gemütlicher werden

Katharina Hildebrandt meint: „Es wäre schön, wenn sich die Aufenthaltsqualität verbessern würde und beispielsweise Verweilmöglichkeiten für junge Mütter mit Kinderwagen geschaffen würden.“ Rainer Perske, der am Antonplatz zwei Mal pro Woche einen Markt betreibt, nerven neben dem Verkehrslärm besonders die Gehwegplatten, die schnell dreckig werden und den Platz noch hässlicher machen.

Der südliche Teil, durch die Berliner Allee abgetrennt, wurde vor vier Jahren für 800.000 Euro neu gestaltet. Hier gibt es jetzt eine weitläufige Rasenfläche und ein flaches Wasserbecken. Vor kurzem hat auch ein kleines Café gleich neben dem Supermarkt eröffnet. Genau dort begegnet man ihnen an warmen Tagen: den jungen Müttern mit Kinderwagen.

Der Tagesspiegel lädt ein: Vorstellung und Diskussion der Pläne für den Antonplatz. Dienstag, 8. Mai, 17 Uhr, im Kino Toni. Der Eintritt ist frei.
Das QIEZ-Team ist ebenfalls vor Ort und beantwortet gern Ihre Fragen.


Quelle: Der Tagesspiegel

Antonplatz: laut, trostlos, ungemütlich, Antonplatz, 13086 Berlin

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