Monika Zuckers Augen sind feucht, aber sie will Fassung bewahren. Ihr kleines Geschäft mit dem Traditionsnamen „Juwelier E. Weiss“, den ihr Ur-Großvater 1910 eröffnet hat, die Eltern übernahmen und dann eben Monika Zucker und ihr Mann Christian, wird es spätestens ab Dezember 2014 nicht mehr geben. Die Zuckers werden die nächste Mieterhöhung nicht mehr zahlen können – ebenso wenig wie das Geschäft direkt neben ihnen, das auch zu dem großen Haus am Teltower Damm 19 gehört. Auch der Schreibwarenladen „Antkowiak“, eine uralte Zehlendorfer Institution, macht dicht. Damit stirbt am Teltower Damm in Zehlendorf Mitte ein stolzes Stück Familiengeschichte im Einzelhandel. Beide Geschäfte sind bei den Kunden beliebt und haben Kultstatus.
Laschinsky erinnert sich auch an eine ganz persönliche Episode: „Antkowiak war eine Zehlendorfer Institution. Ich erinnere mich an eine Begebenheit aus dem Jahre 1963: Mein früherer Ausbildungsleiter im Rathaus Zehlendorf, Klaus Ziegler, legte den damaligen Dienstanwärtern eine Bauakte in Sütterlinschrift vor und bat, daraus vorzulesen; ein untauglicher Versuch, denn wer von den jungen Menschen kannte diese Schriftart. Also riet er allen, sich in der Mittagspause eine Vorlage mit diesen spitzen Zeichen zu besorgen. Wo? Natürlich hatte das gegenüber dem Rathaus gelegene Schreibwarengeschäft Antkowiak ein solches Blatt!“
Eltern bestellen hier für das jeweils neue Schuljahr
Peter-Ingolf Gericke ist gemeinsam mit seinem Bruder Jens-Michael Eigentümer des Hauses Nummer 19, das an der besten Stelle des Teltower Damms verortet ist, man könnte fast sagen, es stellt den Mittelpunkt dar, weil gleich gegenüber das Rathaus ist und die Kirchstraße beginnt.
Peter-Ingolf Gericke sagt, er musste das Haus sanieren und den Denkmalschutz dabei berücksichtigen, das sei sehr teuer gewesen. Zu seinem Noch-Mieter Marc Dreher sagt er: „Wenn er bleiben will, dann kann er das, ich habe nichts gegen ihn, er zahlt immer pünktlich seine Miete.“ Gericke sagt natürlich nichts über die kommende Mieterhöhung, und er deutet auch nur an, dass er mit der Familie Weiss eine juristische Auseinandersetzung hatte, die beide Parteien bis zum Bundesgerichtshof führte. Er hatte den Zuckers die Wohnung über ihrem Laden wegen Eigenbedarfs gekündigt. Gericke erklärt, sein Bruder in München sei krank und werde bald nach Berlin kommen, weil sich hier die Familie um ihn kümmern könne. Deshalb brauche er diese Wohnung. Die Zuckers haben hier schon ewig gewohnt, hatten sogar die Hausmeisterstelle inne, und zuvor lebten die Eltern darin. Auch einer der beiden Kinder der Zuckers wurde in der Wohnung geboren.
Bis zu 120 Euro pro Quadratmeter Gewerbefläche
Dreher sagt, er mache Gericke keinen Vorwurf. Er habe auch noch andere Standbeine. Für Familie Zucker, mit einer Tochter und einem Sohn, ist es schwieriger, „unsere Existenz hängt an diesem Laden“, sie sagen: Gericke habe es darauf angelegt, sie rauszubekommen. Der Eigentümer weist das zurück. „Wenn ich hier alles ausräumen muss, dann werde ich erst begreifen, wie sehr ich wirklich an dem Geschäft hänge“, sagt Zucker zum Abschied, und ihre Augen sind wieder feucht.