Seit Herbst 2010 laufen die Planungen für eine Einrichtung für psychisch kranke Straftäter in Weißensee. Damals erwarb die Zeitraum gGmbH das ehemalige Gefängnis an der Großen Seestraße und begann mit dem Umbau des Gebäudes zu einer Rehabilitationseinrichtung. In diesem Mai sollte das Heim, in dem etwa 20 straffällig gewordene Menschen untergebracht und an ein „normales“ Leben außerhalb des Krankenhauses des Maßregelvollzugs (KMV) gewöhnt werden sollen, eröffnet werden. Doch die 2012 gegründete Bürgerinitiative (BI) „Familienkiez“ stellte sich dem Projekt in den Weg – mit Erfolg. Nach einer Ortsbegehung hat das Verwaltungsgericht die Aufnahme psychisch kranker Straftäter am Donnerstag untersagt.
„Unser Problem sind nicht die Patienten, wir wehren uns gegen die privatisierte Form des Maßregelvollzugs“, erwidert Pressesprecher Peter Dommaschk auf die Frage nach den Ängsten der Anwohner. „Die Resozialisierung psychisch kranker Straftäter sollte nicht privatisiert und damit der staatlichen Kontrolle entzogen werden“, ist Dommaschk überzeugt. „Der Einsatz von studentischen Hilfskräften, wie ihn Zeitraum plant, ist nur eines der fragwürdigen Konzepte zur Kosteneinsparung“, so der Pressesprecher. Darüber hinaus sei die Einrichtung eines Maßregelvollzugs innerhalb eines Wohngebietes ohnehin unzulässig. „Die Gesetzeslage ist in dieser Hinsicht eindeutig.“
Eine sachliche Diskussion
Zwar sei es verständlich, dass viele Anwohner gewissen Bauvorhaben – egal ob Wurstfabrik, Autobahn oder Gefängnis – mit Vorurteilen und Ängsten begegneten, doch darum gehe es dem „Familienkiez“ nicht, betont Dommaschk. „Wäre das Haus in staatlicher Hand und würde die Einrichtung des Maßregelvollzugs nicht mitten im Wohngebiet angesiedelt, würden wir die Kröte schlucken“, so der Pressesprecher. Unter den gegebenen Umständen setze man sich jedoch mit allen juristischen Mitteln gegen das Projekt der Zeitraum gGmbH zur Wehr. Dass die Zeitraum die Unterbringung von Mördern oder Sexualstraftätern ausschließe, sei dabei nicht maßgeblich. „Da wird eine Strategie der Verharmlosung gefahren“, so Dommaschk.
Bereits vor der Entscheidung am 18. April konnte die BI „Familienkiez“ einen ersten Erfolg für sich verbuchen. Der Investor Zeitraum wurde gerichtlich dazu verpflichtet, die wahre Nutzung des Gebäudes an der Großen Seestraße im Bauantrag festzuhalten. War vorher nur von einem „Wohnprojekt“ die Rede, muss die Einrichtung nun als „halboffene Einrichtung des Maßregelvollzugs“ bezeichnet werden. Trotzdem erteilte das Bauamt nachträglich die Baugenehmigung. Laut Dommaschk eine „nicht begründbare Fehlentscheidung“, die allein daraus resultiere, dass „der politische Wille, das Projekt durchzudrücken“ einfach zu groß sei.
Staatliche Engpässe
Grund ist dem Pressesprecher zufolge die Überbelegung der in Reinickendorf und Buch gelegenen Krankenhäuser des Maßregelvollzugs. „Die Einrichtungen sind total voll – nicht zuletzt weil immer mehr Straftäter mit Drogenpsychosen aufgenommen werden müssen. Da stellt sich natürlich die Frage, wohin mit den Patienten“, kritisiert Dommaschk das politische Kalkül für das Haus in Weißensee.
Auch dass der Investor Zeitraum in Gesundbrunnen seit 2006 eine ähnliche Einrichtung mit Erfolg betreibt, lässt Dommaschk nicht als Argument gelten. „Auch hier wurde eine Einrichtung des Maßregelvollzugs mitten in ein Wohngebiet gebaut – nur hat hier, unter anderem aus Unwissenheit, niemand geklagt“, so der Gegner des Weißenseer Rehabilitationsprojektes. Darüber hinaus sei es, entgegen den Angaben der Zeitraum gGmbH, in der Einrichtung in Mitte sehr wohl zu Übergriffen gekommen. Auf solche Einwände und Bedenken sei vom Investor bei den anberaumten Beiratssitzungen jedoch nicht eingegangen worden. „Man hat da einfach dicht gemacht“, so Dommaschk.
Die Zeitraum GmbH zeigt sich von der Entscheidung am 18. April entäuscht: „Durch diese Entscheidung verlieren alle. Zuerst natürlich die Klienten, aber auch das Land Berlin, das diese Art der Integration eigentlich wünscht, sowie der Steuerzahler, für den es jetzt wieder teurer wird – und auch die Anwohner, denn dann kommt eben eine andere Nutzung in das Gebäude“, so Geschäftsführer Christian Thomes gegenüber dem Tagesspiegel. Die Weißenseer Anwohner zeigten sich hingegen erfreut über die Entscheidung des Gerichts.