„Hier zahlst du niemals einen zweistelligen Betrag für dein Frühstück„, sagt Arnel, als wir uns in seinem Lieblingscafé – der Fröhlichen Bäckerei – an der Rigaer Straße treffen. Es duftet nach frisch gebrühtem Kaffee und verschiedenem Gebäck. Eigentlich wohnt der Schauspieler in Charlottenburg, aber Friedrichshain kennt er wie seine Westentasche. Während der alltägliche Trubel rund um den S-Bahnhof Frankfurter Allee vor der Türe vorbeizieht, kommen wir sogar auf einen dritten Ort zu sprechen: Mahlsdorf im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Hier ist der Schauspieler, der durch seine Rolle als Costa in der Serie Türkisch für Anfänger bekannt wurde, groß geworden.
„Ich hatte die schönste Kindheit der Welt! Ich glaube, ich gehöre zur letzten Generation, die ohne Mobiltelefon aufgewachsen ist.“ Der 32-Jährige erinnert sich an Tage, wo er mit seinen Kumpels ewig unterwegs war, um Fußball zu spielen und das Abendessen oft auch am fremden Familientisch bekommen hat. „Wenn jemand kein Schweinefleisch wollte, dann wurde ein Lamm auf den Grill gepackt. Es gab nie diese Probleme, die es heute gibt. Welche Haarfarbe hast du, woher kommst du, das wurde ich nie gefragt – es war viel wichtiger, ob du gut Fußball spielen konntest.“ Arnel kam mit sieben Jahren nach Berlin, nachdem seine Familie vor dem Bosnienkrieg geflohen war.
Wie uns Arnel verrät, würde er gerne mal einen Heimatlosen spielen. „Ich selbst habe oft damit zu kämpfen gehabt, bin ich jetzt Jugoslawe oder Deutscher oder Deutscher mit jugoslawischen Wurzeln. Daher würde ich gerne mal einen Weltenbummler oder Piraten spielen, weil die keine Grenzen haben. Sonst gibt es da immer eine Gesellschaft und die setzt die Grenzen fest. Das darfst du – das nicht.“
Von der Straße ans Filmset
Wir nehmen unsere Getränke mit und laufen die Pettenkoferstraße entlang. Während wir auf das grüne Licht an der Ampel warten, sprechen wir über Arnels erste Schritte in der Schauspielerei und die haben – wie passend – ihren Ursprung auf der Straße. Mit gerade mal 14 Jahren wurde er bei einem Straßencasting entdeckt. „So was gibt es nicht mehr, das ist mittlerweile verboten“, sagt der junge Schauspieler, der einen schwarzen Hut und helle zerschlissene Jeans trägt. Ihm zufolge wollte der Regisseur, dass er einen rumänischen Dieb spielt – seine Mutter war dagegen, denn sie wollte das Klischee vom kriminellen Ausländer nicht bestätigen. „Mein Vater hat mich dann aber heimlich zum Casting gefahren und glücklicherweise habe ich die Rolle bekommen.“
Die Verhandlungen um die Gage übernahm aber wiederum seine Mutter – ein großes Glück für den Wahl-Charlottenburger, wie sich herausstellte. „Als der Produzent am Telefon war, hat meine Mutter sofort aufgelegt, weil sie sich nicht sicher war, ob sie das Geld bekommt oder bezahlen muss“, erzählt Arnel und kann sich ein Lachen kaum verkneifen. Kurze Zeit später klingelte es wieder und der Produzent meinte, was für eine toughe Verhandlungspartnerin sie doch sei und hat dann nochmal 100 DM draufgelegt. „Ich wollte sie als Agentin behalten, aber sie hat dankend abgelehnt. Sie hat kein Wort verstanden, aber knallhart verhandelt“, so Arnel weiter.
Topfhaarschnitt ein No-go
Apropos Knallhart: In dem Neukölln-Milieu-Film von Detlev Buck aus dem Jahr 2006 spielte Arnel alias Crille einen jungen Kleinkriminellen aus kaputtem Elternhaus. Erst kürzlich führte ihn der Film Familiye nach Spandau. Darin übernimmt er die Rolle des spielsüchtigen Miko. Ein Kindskopf und In-den-Tag-hinein-Träumer, der sich eigentlich um seinen Bruder mit Downsyndrom kümmern sollte, aber stattdessen in die Fänge von brutalen Geldeintreibern gerät. Nur mit seinem Topfhaarschnitt für die Rolle des Miko war Arnel sehr unglücklich und trug eine Zeit lang immer Mütze. Aber wie er auch betont: „Schauspieler sind keine überbezahlten Models, die haben kein Sixpack, sondern die sehen auch mal richtig scheiße aus.“
Arnel ist sichtlich stolz auf den Film, zwar kein Streifen für die Massen, aber „ein realer Film über den Bezirk [Spandau], mit dem die Leute auch was anfangen können. Manche gehen los in die Spielcasinos und verzocken Anfang des Monats ihr ganzes Geld und die Kinder haben dann nichts zu essen. Wir wollten keinen Gangsterfilm machen, sondern ein Familiendrama“, erläutert der Vollblut-Schauspieler. Wie gerne er spielt, beweist uns Arnel auch direkt, klettert im Nu auf eine Mauer und winkt uns zu.
Koffein ist keine gute Idee
Wir kommen bei der Eatalian Pizzeria Berlin in der Mainzer Straße an, die von Freunden von Arnel geführt wird. Gegenüber liegt die Keyif Cocktail und Shishabar, die uns Arnel als Abendlocation ans Herz legt. Wir bestellen Cappuccino – wie wir später erfahren, keine gute Entscheidung. „Wenn ich einen Kaffee trinke, bin ich eine richtige Nervensäge. 15 Minuten habt ihr noch“, tönt der 32-Jährige. Aber auch ohne Koffein ist Arnel kein Freund vom Chillen. Ruhigere Szenen beim Dreh verlangen ihm viel Konzentration ab und auch in seiner Freizeit gibt es kaum Stillstand. Entweder powert er sich beim Boxen aus oder er hilft bei seinem Vater aus, der ein Bauunternehmen hat. Er selbst besitzt einen Schweißer-Pass. „Ich gehe manchmal auf den Bau, das erdet mich sehr. Du siehst nach zwölf Stunden, was du den ganzen Tag gemacht hast. Da schläfst du auch gut, musst nicht mal mehr Netflix anmachen.“
Obwohl Arnels Bein zuckt, können wir doch in Ruhe den Kaffee austrinken und laufen anschließend wieder Richtung Frankfurter Allee. Auf dem Rückweg kommen wir an einer Baustelle vorbei und Arnel zeigt uns gleich ganz Bauherr, wo er den Garten anlegen und „ein kleines Plumpsklo“ hin bauen würde. Mit so viel Inspiration für die eigenen vier Wände im Gepäck und einer herzlichen Umarmung verabschieden wir uns und danken Arnel für das mitgebuchte Entertainment-Programm.
Arnel Taci ist gemeinsam mit den Regisseuren/Schauspielern Kubilay Sarikaya und Muhammed Kirtan für den Film „Familiye“ in der Kategorie „Bester Darsteller“ für den Preis der Deutschen Filmkritik nominiert. Die Preisverleihung findet am 11. Februar im Rahmen der Berlinale statt. Den Film „Familiye“ kannst du auf DVD oder über Amazon Prime anschauen.