„Pflaumenbambi“ ist das Ergebnis der Urabstimmung über die Frage, wie eines der 16 Meerschweinchen im Stall heißen soll. Die Namen der Tiere haben sich die Kinder zusammen ausgedacht. Im Gehege wohnen auch Winnetou, Latti, Blume und Mr. Burns.
Wie es zu „Pflaumenbambi“ kam, kann auch Siegfried Kühbauer nicht genau sagen. Der Projektkoordinator der Weddinger Kinderfarm mutmaßt: „Wahrscheinlich wollten die Kinder damit jemanden ärgern“. Dabei grinst der 63-Jährige wie ein kleiner frecher Junge. Siggi nennen ihn alle Gäste und Mitarbeiter der Kinderfarm, und Kinderdemokratie ist für Siggi unabdingbar.
30 Jahre Kinderdemokratie
Beinahe 30 Jahre existiert der alte Kinderbauernhof in Wedding bereits. Man findet ihn direkt neben dem Abenteuerspielplatz Telux. Die Zeit überstand er durch die Finanzierung vom Bezirksamt Mitte und durch Spenden. Kinder sind hier in alle Entscheidungen eingebunden und halten außerdem den Laden am Laufen. Als Tierpfleger kümmern sie sich um die Ziegen, Schafe, Pferde, Enten, Hühner und Meerschweinchen. Nur montags kommen keine Besucher auf die Farm – und die Tiere genießen die freie Zeit am Ruhetag.
Die Kinder beschäftigen sich mit den Tieren und lernen, ihre Bewegungen und Laute zu deuten – sie erweitern ihre emotionale Intelligenz. Durch die herausfordernden Aufgaben, die die Kinder als Tierpfleger fast täglich bewältigen, werden sie souveräner. „Wenn Kinder ängstlich sind und Kommunikationsprobleme haben und dann durch diese Schule gehen, sind sie hinterher wie ausgewechselt“, sagt Siegfried Kühbauer.
Weg vom städtischen Alltag
„Das etwas andere Klassenzimmer“ ist für ihn die Kinderfarm. Hier kommen auch Jugendliche hin, die von einem Gericht zu Freizeitarbeit verurteilt wurden. Die Erfahrung zeige, sagt Kühbauer, dass die Jugendlichen nur ein paar Tage bräuchten, um sich zu akklimatisieren und dann überdurchschnittlich motiviert seien für die Arbeit.
Alina, 12, und Felix, 9, sind eben damit fertig, die Trinkflaschen für die Meerschweinchen zu säubern und sie neu mit Wasser zu füllen. Nun befestigen sie sie wieder am Stallgitter. Sie heben den wuscheligen Nager Latti aus der Box und knuddeln ihn. „Mir gefällt, dass man hier raus aus dem Alltag ist“, meint Alina. Sie kommt aus Mitte und besucht durchschnittlich viermal in der Woche den Kinderbauernhof – es kommt darauf an, wie viel Hausaufgaben sie hat.
Vorhin konzentrierte sie sich noch aufs Training. Sie zeigte einer dickbäuchigen, kurzbeinigen Ziege wie sie Slalom oder auf zwei Beinen läuft und ließ sie auf einen Eimer hüpfen. „Das bringt den Ziegen Abwechslung“, sagt Alina. Bei den Pferden hat sie heute gelernt, dass Pony Resi mehr auf die Stimme reagiert als auf das Klacken mit der Zunge.
Ein Leben für Kinder und Tiere
Die ganz Kleinen, die noch nicht mithelfen können, ziehen Plastikschiffe hinter sich her und buddeln Löcher im Sand. Jemand hat ein blökendes Schaf auf den Armen, ein anderer rollt einen Haufen Äpfel per Schubkarre in den Stall, zwei Mädchen bringen Mist zum großen Haufen am Eingang. Siggi ist der Ruhepol im Trubel. Vor 25 Jahren fing er als Sozialpädagoge in der Kinderfarm an. Eigentlich wollte er nach zwölf Monaten zur Wissenschaft zurückkehren, aber er blieb.
Das Areal gehört dem Land Berlin, und bereits wenige Monate nach Kühbauers Dazustoßen gab es Zank über die Zukunft des Gehöfts. „Es wurde zu meiner persönlichen Aufgabe, die Kinderfarm zu erhalten. Man kann sie den Kindern doch nicht einfach wegnehmen – gerade in Wedding.“ Für die Kinderfarm möchte er noch, so lange er irgend kann, alle seine Kräfte einbringen. Denn: „Ich werde jeden Tag dafür belohnt“, sagt er lächelnd.
Am morgigen Samstag wird ein Putztag eingelegt. Die Kinder, Mitarbeiter und Helfer frischen die Beete auf und säubern den Sand. Wer mitmachen will, kann die Kinderfarm unter weddinger.kinderfarm@berlin.de erreichen.
Weddinger Kinderfarm, Luxemburger Straße 25, 13353 Berlin, http://www.kinderecho.de/