Träume fliegen hoch. Weit hinaus über Traufhöhen und andere Messlatten, die eine architektonische Weltstadtentwicklung Berlins oft gebremst haben: mal aus klug bewahrender Vorsicht, mal aus platter Engstirnigkeit. Immer mehr ist nun in Deutschlands Metropole von einer eigenen Skyline die Rede. Hochhäuser, die noch nicht unbedingt an den Wolken kratzen, aber das Gesicht der Stadt doch künftig mitprägen sollen. Und das nicht nur in Mitte, rund um den Alexanderplatz, sondern mehr noch und eher schneller und höher in der sogenannten City West.
Hotellerie hat wieder im Westen angedockt
Plötzlich aber tut sich was im alten Westen. Als wär’s ein Symbol, feiert heute das 1957 erbaute Amerika-Haus beim Bahnhof Zoo nach grundlegender Renovierung seine Wiedereröffnung – bespielt vom international renommierten Fotoforum C/O Berlin. Es werden in einer langen Nacht bis zu 5000 Gäste erwartet, und Klaus Wowereit hat wohl seinen letzten großen Auftritt als Regierender Kultursenator. C/O Berlin musste 2013 sein spektakuläres Ausstellungshaus im alten Postfuhramt in Mitte verlassen; ein architektonisch attraktiver und für die Kulturmetropole sinnvoller Neubau nahe der Museumsinsel scheiterte dann am Kleingeist der Bezirkspolitik. Als endlich die Räume des Amerika-Hauses winkten, gaben die Ausstellungsmacher auf Postern und Taschen die ironische Losung aus: „Bye-bye Mitte …“
Vieles ist Spekulation, anderes Vision
Nahe der Gedächtniskirche wächst bereits das nächste Hochhaus als gläserner Turm empor, und aus einem weiteren Hochprojekt hinterm Bahnhof Zoo sollen künftig gar Bäume sprießen. Sie suchen den Himmel, die Versuche, den leichten Schimmel über West-Berlin verfliegen zu lassen. Aber die Erdung steht noch aus.
Vieles ist Spekulation, anderes Vision, immerhin. Die Welt ist eine der Bilder, und ob ein in Mitte fürs junge internationale Publikum zum Magnet gewordenes Fotoforum jetzt auch in Charlottenburg für einen kulturellen Jungbrunnen sorgt, ist die spannende Frage. Einst war der Westen, in London, Paris oder Berlin, als „Westend“ der Anfang der Moderne. Der häufige Westwind wehte den Staub aus den Kohleöfen und den Ruß der frühen Industrialisierung fort nach Osten, das gehörte mit zur berühmten Berliner Luft. Jetzt wäre etwas frischer Wind auch im Westen ein Gewinn. Für die ganze Stadt.