Augustines-Konzert

Intime Atmosphäre im Club

Vollblutmusiker: Die "Augustines".
Vollblutmusiker: Die "Augustines".
Südkiez - Die "Augustines" aus New York haben sich angekündigt. Vor ziemlich genau einem Jahr haben sie im Lido emotional alles abgefeuert, was ging. Konnten sie im Astra daran anknüpfen? Ein Konzertbesuch...

Es sind Menschen Mitte Zwanzig und aufwärts, die in kleinen Grüppchen auf dem RAW-Gelände stehen und schnell noch das Flaschenbier leerziehen, bevor es losgeht. Es ist 20:30 Uhr, jetzt aber rein, vorbei an der Abendkasse, die gerade noch spärliche Ticketreste los wird. Die Bude ist voll, das merkt man auch vor den Toiletten. Also eingereiht in die – wenigstens recht kurze – Schlange, denn während des Konzerts gehen und Highlights verpassen, verkneift man sich besser. Im Hintergrund läuft schon ein Lied der Band, die gleich auftreten wird.

Es war einmal im Lido

Noch im letzten Jahr haben „We are Augustines“, mittlerweile nur noch „Augustines“, im Berliner Lido einen famosen Hauptstadtgig gespielt. In der Zwischenzeit hat die Indie-Rock-Band aus New York ein zweites Album herausgebracht und nicht nur an Bekanntheit, sondern vor allem an Fans gewonnen: Das heutige Konzert sollte ursprünglich im Heimathafen Neukölln stattfinden, wegen der großen Nachfrage wurde der Auftritt dann ins Astra verlegt. Ein bisschen ist da die Angst, dass die Band routinierter und abgezockter geworden ist, dass ein Auftritt, und wer würde es Profimusikern verübeln, zu „business as usual“ wird. Fast sentimental erinnert man sich ans Lido, wo es seitens der Band noch mit tränenerstickter Stimme hieß, ein Traum werde wahr. Was davon ist übrig geblieben?

Nach dem Toilettengang folgt die erste Ernüchterung, als klar wird: Die Hintergrundmusik war keine, das Konzert hat tatsächlich schon begonnen. Innerlich wird das Astra (bekannt für nervös-pünktliches Beginnen) und die eigene Verpeiltheit kurz verflucht, der Gang zur Garderobe wird ausgespart, die Konzerthalle gestürmt. Jetzt heißt es, sich durch viele und dennoch nicht ultra-eng stehende Menschen durchschlängeln und im letzten Drittel einen Platz mit hervorragender Bühnensicht ergattern.

Ausgerechnet: Lieblingslied verpasst

„And I’m already gone / To rise up from some dirty ashes“ singt Billy McCarthy mit seiner unverkennbaren, tiefen Stimme ins Mikro. Oh no. Ausgerechnet das Lieblingslied halb verpasst. Und dann dieser Sound – auch dafür kann die Band nix, das Astra schon. Alles klingt hier irgendwie eine Nummer dumpfer als in anderen Konzertlocations. Auch das Publikum ist noch recht verhalten, vielleicht auch überrumpelt vom Frühstart: Da stehen Menschen, die unbeholfen ihre Jacken in Taschen stopfen, andere wagen den Gang zur Garderobe, die nächsten schicken einen aus der Gruppe zum Bierholen.

Stück Nummer zwei ist der „Chapel Song“ – der wohl bekannteste Titel der Band. Das Publikum wird lockerer, langsam kommt man an. Sänger Billy fordert die Leute zum Mitsingen auf: „You gotta help me out, I‘m a little sick.“ Zu hören ist davon nichts. Live haben Gesang und Intensität der Band einen noch größeren Gänsehaut-Faktor als on Tape. Mittlerweile geht’s auch im Publikum einigermaßen ab. Eine bunte Mischung aus Album eins und zwei heizt der Menge ein, neben dem Frontmann stehen noch Gitarrist Eric Sanderson, Schlagzeuger Rob Allen und – Überraschung – Posaunenspieler Al Hardiman auf der Bühne. Nach ca. 40 Minuten dann der Song, der eingangs verpasst wurde – „Philadelphia“. Nur in der langsamen Version. Ergriffene Fans grölen mit, Pärchen umklammern sich sentimental. Spätestens jetzt ist die Stimmung elektrisch, eine freudetaumelnde Beseeltheit legt sich wie ein Schleier übers Astra.  

Rin in die Menge!

Nach einer guten Stunde verschwindet die Band von der Bühne, das wild gewordene Publikum skandiert „Zugabe, Zugabe“ und „Augustines, Augustines“. Und plötzlich stehen sie da, mitten im Publikum, auf einer Miniempore. Weiter geht’s, in der Menge. Die Umstehenden können ihr Glück kaum fassen, in wenigen Metern Abstand gibt es eine Akustik-Einlage. Das Konzert geht in Runde zwei. Nach ein paar Nummern steht die Band wieder auf der Bühne, der Rest der Mega-Zugabe wird hier zu Ende gespielt.

Dann gehen die Lichter aus, das war’s – denkste! Als alle noch klatschen und feiern, kündigt sich der nächste Kracher an: Eine Polonaise aus hochgereckten Instrumenten bahnt sich ihren Weg durchs Publikum – schon wieder! Die Band genießt das Bad in der Menge sichtlich und kämpft sich bis ins letzte Drittel der Halle vor. Aus zwei Metern Entfernung gibt es nochmal eine ordentliches Akustik-Set. Wahnsinn. Der üble Sound vom Astra wird damit einfach ausgehebelt, das Publikum wähnt sich längst in einem kleinen Pub und nicht mehr in einer Konzerthalle.  Nach knapp zwei Stunden ist dann aber endgültig Schluss. Die Jungs haben gut überzogen, es wirkte, als wollen sie gar nicht mehr gehen. „Let´s meet at the bar and have a drink together“, so der letzte Zuruf vom Sänger, als die Lichter längst aus sind.

Doch das klappt leider nicht, weil das Astra die Leute raushaben will – Bierausschank Fehlanzeige. Für die folgende Elektroparty lauert schon neues Publikum vor den Türen. Viele lümmeln sich noch ein Weilchen vor den Toren des Astras, ein Spätibier tut’s schließlich auch. Leider sind die Augustine-Jungs nicht mehr vorbeigekommen. Hätten sie gewusst wohin, so legt es der Abend nahe, hätten sie’s getan. Ganz bestimmt.

 

„Ich habe schon viele Konzerte in Berlin gesehenen und einige (leider) auch im Astra. Das Augustines-Konzert ging dermaßen unter die Haut, dass es vom Intensitätsfaktor her locker mit den Beatsteaks(!) in der Wulheide(!) mithalten konnte. Trotz Astra eines meiner Top-3-Konzerte in Berlin.“

Astra Kulturhaus, Revaler Str. 99, 10245 Berlin

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