Nach einer guten halben Stunde gibt der Ochse auf. Erschöpft senkt er seinen Kopf, trabt ein paar Schritte und bleibt dann stehen. Kein Trompetenstoß aus der Luft bringt das Tier mehr aus der Ruhe. Dabei hat er bis zuletzt aus Leibeskräften gerufen und am Ende auch ein wenig gebrüllt. „Er will immer ganz lange mit den Geräuschen der Kraniche mithalten“, erklärt die Naturwächterin Ricarda Rath den Exkursionsteilnehmern. „Aber irgendwann fliegen einfach zu viele Vögel über seinen Kopf, so dass er dann sein Rufen aufgibt.“
Nach dem Verstummen des Bullen gehört die Einflugschneise zum Rambower Moor wieder ganz allein den Kranichen.
Beschauliches Vogel-Idyll
Am fast 200 Kilometer von Berlin entfernten Rambower Moor dagegen gibt es reichlich Platz. Die Gegend gehört zu den am dünnsten besiedelten Regionen Deutschlands, und auch die Zahl der Urlauber hält sich in Grenzen. „Wir haben im Storchendorf Rühstädt eine gute Unterkunft gefunden“, erzählt während der geführten Kranichwanderung eine Urlauberin aus den USA. „Dort hören wir bis spät in der Nacht durch das offene Hotelfenster die Gänse schnattern.“ Der rufende Ochse sei am Anfang der Tour noch ein zusätzlicher Spaß gewesen.
Singen im Moor
Nur die Beobachtung eines Seeadlers, der in der Nähe der Elbe mit seinen mehr als zwei Meter langen Schwingen eine Runde drehte, habe die weit gereiste Frau noch stärker beeindruckt. „Ich werde bestimmt wiederkommen“, versichert die Frau, die regelmäßig ihre Schwester in Hamburg besucht. „Vielleicht schon wegen dieser wundervollen Singschwäne.“ Deren Ankunft erwarten die Naturwächter in den nächsten Tagen. „Dann geht’s auch am Rambower Moor rund“, sagt Naturwächterin Kathrin Heinke. „Die Kraniche fliegen zu ihren Schlafplätzen im halbhohen Wasser, während sich auf den tiefen Gewässern tausende Nordische Gänse den Platz mit den strahlend weißen Schwänen teilen.“ Deren Gesang müsse man einfach mal gehört haben.
Kurz nach dem völligen Eintritt der Dunkelheit kehrt schlagartig Ruhe ein am Rambower Moor. Mit Taschenlampen leuchten die Naturwächter und einige gut ausgestattete Urlauber den Weg zurück zu den abgestellten Autos an der Kirche. Hier haben auch einige Radtouristen ihre Räder abgestellt, mit denen sie tagsüber den Rambower See auf einem guten Feld– und Waldweg umrundet hatten. Zwei Beobachtungstürme erlauben hier schöne Ausblicke in eine scheinbar ursprüngliche Landschaft. Noch vor drei Jahrzehnten entwässerten tiefe Gräben und Pumpen das Moor, um die Flächen landwirtschaftlich nutzen zu können. Mit erheblichem Aufwand wurde diese Melioration wieder rückgängig gemacht. Das Wasser übernahm wieder die Macht und es entstand ein lohnender Ort für Naturinteressierte.