Ob Kopftuchverbot oder Burkini-Debatte: über religiöse Verschleierungen wird in Europa seit Jahren hitzig gestritten. Weibliche Kopf- und Körperbedeckungen stehen dabei oft im Verdacht, Symbol von fehlender Integration zu sein. Mit der Entscheidung für das Tragen eines Kopftuchs müssen sich Frauen anhören, sie würden sich unterdrücken lassen, seien unfrei und ungebildet. Wie viel Religiosität verträgt eine säkulare Gesellschaft? Die Ausstellung Cherchez La Femme. Perücke, Burka, Ordenstracht im Jüdischen Museum widmet sich genau dieser Frage.
Der Rundgang beginnt mit einer Videoinstallation zum männlichen Blick. Neugierige und kontrollierende Männeraugen starren von verschiedenen Bildschirmen aus in den Ausstellungsraum. Sie beobachten nicht nur den Besucher, sondern werfen auch den Ausstellungsobjekten Blicke zu. Im Zentrum des Raumes steht die Skulptur Cheglis I der iranischen Künstlerin Mandana Maghaddam. Cheglis bedeutet übersetzt „Besitzerin der 40 Zöpfe“ und geht auf ein persisches Märchen zurück.
Die Skulptur stellt eine Frauensilhouette dar, die komplett aus schwarzen Haarteilen besteht. Die Frau dahinter erkennt man nicht mehr. Für die Künstlerin symbolisiert das Haar das Dilemma der Frauen: das Haar als Zeichen eines aufgezwungenen Schönheitsideals. Das Haar kann aber auch offensiv für eine Befreiung stehen – wenn es abgeschnitten wird.
Von den Ursprüngen bis zum religiösem Feminismus
Auf 400 Quadratmetern reflektieren 14 internationale künstlerische Arbeiten, darunter Skulpturen, Videoinstallationen, Fotographien und ausgestellte Kleidungsstücke, die unterschiedlichen Einstellungen zum Thema weibliche Verhüllung. Sie thematisieren die Position der modernen Frau zwischen Religion und Selbstbestimmung und gehen dabei bis auf die Ursprünge der Verhüllung zurück: Schon vor 3000 Jahren legten assyrische Gesetze fest, welche Frauen ihr Haar in der Öffentlichkeit zu bedecken hatten.
Die Tradition der Verschleierung wird auch in einer langen Reihe von verschiedenen ausgestellten Kopfbedeckungen deutlich. Ob muslimischer Niqab, jüdischer Scheitel (jiddisch für Perücke) oder christlicher Schleier – Cherchez la Femme zeigt, dass die religiöse Verhüllung kein rein muslimisches Phänomen ist. Die drei monotheistischen Religionen teilen die Grundlagen der mehr oder weniger strengen Bekleidungsregeln. Und dennoch verbindet man das Kopftuch oft mit dem Islam.
Dass die Kopfbedeckung aber auch ein feministisches Statement sein kann, zeigen nicht nur Ausschnitte vom Laufsteg der Istanbuler Modest Fashion Week, sondern auch eine Kippa für Frauen. Zu den traditionellen Pflichten des Mannes gehört nach jüdischem Gesetz das Tragen dieser Kopfbedeckung in Synagogen. Im Kampf um ihre Gleichberechtigung haben liberal-jüdische Feministinnen beschlossen, beim Gebet ebenfalls eine Kippa zu tragen. Auch hier macht die Ausstellung deutlich, dass die hinnehmbaren Grenzen der männlich dominierten Welt stets neu zu verhandeln sind.
Die Ausstellung Cherchez la Femme gibt Einblicke in die Tradition der weiblichen Verschleierung. Sie macht deutlich, welchen Wandel die Kopfbedeckung sowohl im Islam, als auch im Judentum und im Christentum durchzogen hat. Außerdem bringt die Schau aktuelle religiöse Debatten zur Sprache, ohne einen bestimmten Standpunkt einzunehmen und gibt Frauen die Möglichkeit, sich in einer männlich geprägten Gesellschaft zu äußern.
Falls du Lust bekommen hast, verschiedene Positionen zur Verhüllung von Kopf und Körper zu entdecken: Die Ausstellung Cherchez La Femme. Perücke Burka, Ordenstracht. kannst du dir noch bis zum 27. August 2017 im Jüdischen Museum ansehen. Tickets kosten regulär 8 Euro und ermäßigt 3 Euro.