Berlin kurz nach der Wende: Ein Sehnsuchtsort für die jungen Wilden aus der ganzen Republik, die Feierwütigen und Abenteurer. Getanzt und getrunken wurde überall und jederzeit, in leerstehenden Gebäuden, Fabriken und Brachflächen entstanden Bars, Clubs, Galerien und Studios. Junge Hausbesetzer*innen, Künstler*innen und DJs aus Ost und West strömten nach Berlin, um Teil der legendären Clubkultur zu werden. Als „wiedervereinigte Orte“ werden sie im C/O beschrieben, an denen alle sozialen Schichten zusammen feierten, „Hooligans aus dem Umland und Schwule aus Schöneberg“. Wo nach dem Krieg, im Trümmerfeld von Berlin-Mitte, die Leute aus zerstörten Häusern heraus Waren wie Molkepulver verkauften, kamen nach dem Mauerfall junge Menschen aus dem Westen, besetzten die leerstehenden Häuser und verkauften statt Essen Alkohol an die Partymeute. Die entstehende Club- und Kulturszene machte Berlin zur Techno-Metropole Nummer eins.
Erst Museum, dann zur Party
Die neue Ausstellung No photos on the Dance Floor – Berlin 1989-Today im C/O Berlin macht das Clubleben erlebbar – nicht nur durch historische Fotos, sondern auch durch Hausparties bekannter Berliner DJs. Diese finden künftig in einer Technohalle neben den Galerieräumen statt, die man ebenfalls bei voller Lautstärke, wenig Licht und wuchtigem Bass besichtigen kann. Den DJs und DJanes wird in den Fotos der Ausstellung natürlich ebenfalls gehuldigt: In der Serie 120 After at Secretsundaze fotografierte Salvatore Di Gregorio 2013 Berliner House- und Techno-DJs über einen Zeitraum von neun Monaten direkt nach ihren Sets. Dafür baute er extra ein mobiles Fotostudio neben dem DJ Pult auf. Was in der Ausstellung ebenfalls nicht fehlen darf, ist alles was zum Partyleben dazu gehört: gestempelte Arme, die fast schon Kunstwerke sind und von langen Nächten erzählen, und – natürlich – die spätestens seit dem Berghain berühmte Clubschlange voller erwartungsvoller junger Menschen.
Sexparties gab es auch im Berlin der 90er
Neben Bildern von provisorischen Clubräumen und Neonlichtern, wilden Partys und Porträts extravaganter Partygänger sieht der Besucher auch viele nackte, verschwommene Körperteile und Glitzer. In einem kurzen Film erzählt Kirsten Krüger, Inhaberin des KitKatClub, von der Atmosphäre bei Partys, von Verletzlichkeit und Identität, die mit den Kleidern zusammen abgelegt wird. Diese Ausstellung ist definitiv eine Huldigung an die Partyszene der 90er und den Mythos Berlin, der das heutige Partyleben fast schon langweilig erscheinen lässt. Schön wären in der Tat mehr Ortsbeschreibungen bei den Fotos gewesen, um einige Clubs wiederzuerkennen. Aber vielleicht wurde genau wegen dem Mythos darauf verzichtet. Die besten Clubs sind schließlich die, deren Adressen kaum einer kennt.
Die Ausstellung No Photos on the dance floor! Berlin 1989 – Today läuft noch bis 30. November 2019 im C/O.