In der Rosenthaler Straße in Mitte malte er nachts im Halteverbot. Kein Platz für die Staffelei im Trubel am Bürgersteig. Der Parkstreifen dicht, Verkehr ohne Ende. Da riskierte er einen Strafzettel. Besetzte als Künstler den letzten freien Flecken und hatte Glück. „Es kam keiner vom Ordnungsamt vorbei“, erzählt André Krigar.
Aber Neugierige umringten den Mann im weißen, beklecksten Kittel, knipsten ihn mit ihren Smartphones, während die Straßenbahnen knapp an Krigar vorbeirumpelten und er sich ein bisschen wie ein Fossil vorkam. Berlin mit Pinsel und Farben erfassen, ist das noch zeitgemäß in einer Stadt, die immer rascher digital tickt? Sein Bild von der „Rosenthaler“ gibt die Antwort. Eine Straße im Zeitraffer, alles scheint in Bewegung zu sein, die Menschen, die Scheinwerfer. Stundenlang hat er die Szenerie wie einen Film erlebt – und seine Eindrücke auf der Leinwand verdichtet.
Ein bizarres Stillleben
Das dunkle Blau des Nachthimmels, das glänzende Weiß des Laternenlichts und andere Farben wirken noch frisch. Die Rosenthaler Straße hat er erst vor drei Wochen als letztes Bild für die Ausstellung gemalt. Im Spätsommer ist er über den Savignyplatz in Charlottenburg gestreift. Da gefiel ihm die historische Litfasssäule besonders gut mit den vielen dahinter geparkten Rädern und einem grasgrünen Motorroller, der direkt davor stand. Ein bizarres Stillleben. Und ein Stressfaktor. „Ich fürchtete, der Roller würde gleich weggefahren“, erinnert sich Krigar. „Dann hätte mich diese Ansicht nicht mehr so richtig überzeugt.“
„Draußen ist nichts vorhersehbar“
Manchmal muss sich der Freilichtmaler also sputen – oder flexibel sein wie an der Tauentzienstraße, an einem regennassen Vorfrühlingstag. Krigar wollte gerade zwei Passanten mit grünen Regenschirmen aufs Bild bringen, als schwarze Limousinen vor ihm bremsten, laute türkische Musik erklang. Hochzeitsgäste sprangen heraus, tanzten und klatschten auf der Straße. Bis das Fest vorbei war, arbeitete er erst mal am oberen Teil des Motivs weiter, den die Tänzer frei ließen – an der Gedächtniskirche und hohen Baukränen.
„Draußen ist nichts vorhersehbar“, sagt Krigar. Das fasziniert ihn genauso wie die Pioniere seines Genres schon im 19. Jahrhunderts. Die Romantiker, die englischen Landschaftsmaler. Später die Impressionisten und Expressionisten. Als malender Stadtwanderer ist er unterwegs, sieht, wie die Sonne den blassblauen Kreuzberger Himmel plötzlich aufhellt, den gelben Putz der Häuser am Chamissoplatz zum Leuchten bringt und ein bisschen mediterranen Flair herbeizaubert.
Er hält an, baut die Staffelei auf. Malt ohne Skizze gleich mit dem Farbpinsel los. Mit schnellen, kräftigen Schwüngen. Mal eher gegenständlich, mal abstrahierender, so dass die Autos rote Spuren über den Asphalt ziehen. Jeweils nach persönlicher Stimmung und Zeit, die ihm das Motiv lässt.
Wer hat Angst vor Berlin?
Sein Blick an einem Wintermorgen von der Friedenauer Brücke auf die schneebedeckten Gleise und die Autobahn verschwimmt im Dunst der Eiseskälte. Man spürt förmlich, wie die Kälte auch den Maler plagt. Mehr Muße blieb ihm im Frühjahr am Mehringdamm, als die Kirschbäume zartrosa aufblühten. Für seine Fans ist längst klar: Krigars Bilder erinnern an die Gemälde der Berliner Impressionisten Max Liebermann, Franz Skarbina, Walter Leistikow oder Lesser Ury. Optimistischer Grundton inklusive.
Die Bilder von André Krigar kannst du noch bis zum 28. November in der Galerie Classico ansehen. Mehr Infos zu André Krigar findest du auf seiner Homepage.