Es ist schon komisch – obwohl die Welt der Mode seit jeher als eine Welt der Frauen deklariert wird, ist die Welt der Modefotografie eine männlich dominierte Szene. Peter Lindbergh, Richard Avedon, Helmut Newton – sie alle gelten als Revolutionäre ihrer Branche. Nur wenige weibliche Namen werden da in einem Atemzug genannt. Einer dieser seltenen Namen ist der von Lillian Bassman.
„Sie sind nicht hier, um Kunst zu machen, sondern um Schleifen und Knöpfe abzulichten“, wurde Lillian Bassman einst mal gesagt. Die Tochter jüdischer Einwanderer aus Russland kam 1917 im New Yorker Stadtteil Brooklyn zur Welt, zog bereits mit 15 Jahren mit ihrem späteren Mann Paul Himmel zusammen, mit dem sie später eines der glamourösesten Künstlerpaare ihrer Zeit bilden sollte. Doch Bassman interessierte sich nicht für Schleifen und Knöpfe, sondern für die Aura der Kleider. Inspiriert von Malern wie Hans Memling und El Greco begann sie stetig, die Modefotografie auf den Kopf zu stellen: „Ein Fotograf muss das Model verstehen lernen, die Art, wie der Hals auf den Schultern sitzt, wie sich ein Bein bewegt“, sagte die Fotografin einst gegenüber der Vogue.
Eine Frau vor ihrer Zeit
Von 1946 bis 1949 bestimmte sie als Art-Direktorin das kreative Bild bei Junior Bazaar, später arbeitete sie als Fotografin für die Harpers Bazaar und förderte die Karriere von Fotografen wie Richard Avedon, Robert Frank, Louis Faurer und Arnold Newman. Richard Avedon war es auch, der einst voller Respekt über die New Yorkerin sagte: „Was Lillian Bassman macht, hat eine geradezu magische Kraft. In der Geschichte der Fotografie ist es niemand anderem gelungen, diesen atemberaubenden Moment zwischen der Erscheinung der Dinge und ihrem Verschwinden sichtbar zu machen.“
Kurzum: Lillian Bassman prägte als eine der ersten Frauen die Modefotografie – und das nachhaltig. Dabei war die Fotografin nicht nur in ihrer Bildsprache ihrer Zeit weit voraus, sondern auch in ihrer feministischen Haltung: „Bis in die vierziger Jahre waren Frauen nur Schmuckstücke des Mannes, sie unterhielten und kochten. Dagegen habe ich mich leidenschaftlich aufgelehnt“, erzählte die im Jahr 2012 verstorbene Bassman in einem Gespräch mit dem SZ-Magazin im Jahr 2009.
Die erste Lillian Bassman-Ausstellung seit ihrem Tod
1971 dann hatte Lillian Bassman genug von ihrem Job. Sie hatte das Gefühl, alle um sie herum wollten ihr in ihre Arbeit reinreden. Zudem störte sich Bassman daran, dass ein Model, das sie fotografieren sollte, einem Kind glich. Also packte sie all ihre Negative fort – und rührte sie vorerst nicht mehr an. Bis sie 20 Jahre später ihre eigenen Werke neu für sich entdeckte und, inspiriert von einem weiterentwickelten künstlerischen Ansatz und neuen Medien, reinterpretierte. Unter anderem mit Hilfe von Computertechnik gelang es Lillian Bassman so, ihren Arbeiten eine ganz neue Optik zu verleihen.
Nachdem Bassman im Jahr 2012 im Alter von 94 Jahren verstarb, widmete sich keine Galerieausstellung mehr dem Schaffenswerk der Fotografin. Bis jetzt: Mehr als 50 Arbeiten von Lillian Bassman zeigt die Galerie Camera Work in Berlin ab dem 21. Januar 2017. Und das ist vor allem für Liebhaber der Modefotografie eine kleine Sensation…
Dieser Artikel erschien zuerst im Blog Louise et Hélène.