Seitdem Erdogan in seinem Land mit aller Macht durchgreift, gerät auch die Kunstszene in der Türkei immer mehr unter Druck. Viele Künstler und Andersdenkende verlassen deshalb ihre Heimat. So auch Buğra Erol, den es 2016 nach Berlin zog. In seiner ersten Einzelausstellung bei Berlinartprojects zeigt der junge Künstler aus Istanbul Episoden aus seinem Leben. Seine Zeichnungen und Bilder sind destruktive Szenen aus persönliche Erlebnissen, sie spiegeln Gedanken und intime Momente wieder.
Kein Platz zum Schlafen
Um sich von der aktuellen Situation in Istanbul zu distanzieren, reiste Buğra, auch Greenpeace-Aktivist, mit zwei Skizzenbüchern im Gepäck zunächst auf die ruhigen Prinzeninseln (südöstlich vom Bosporus). Währenddessen fand der Militärputsch gegen Erdogan statt. Was zunächst als Forschungsreise gedacht war, wird zu einem Trip ins Unbekannte, was beispielsweise in dem Werk Residence on the Moon deutlich wird: „Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich nicht, wo ich schlafen sollte. Ich hatte kein Dach über den Kopf“, erzählt der junge Künstler. Also spielt er mit dem Gedanken, sich ein Haus zu bauen. Diese neu gewonnenen Freiheiten, die gesellschaftliche Ausgrenzung und das Erkunden unbekannter Territorien ziehen sich immer wieder durch seine Werke.
Der Titel seiner Ausstellung Mind Your Wishes bezieht sich jedoch nicht nur auf eine persönliche Ebene, sondern auch auf die Gesellschaft als Ganzes: „Jeder von uns sollte sich gut überlegen, was er wirklich will. Schließlich können wir uns wünschen, was wir wollen. Aber jeder Wunsch braucht so viele Bemühungen. Wir sollten uns fragen, ob wir mit diesen Wünschen überhaupt umgehen können“, so Buğra.
Protest in der Kunst
Buğras Werke untersuchen die gesellschaftspolitischen Veränderungen unserer Zeit. Er baut sich fiktionale Welten aus traum- und comichaften Figuren. „All die Dinge, mit denen ich mich rumschlagen musste, werden in meiner Kunst veranschaulicht“, so der 31-Jährige. Dabei erscheint immer wieder das Motiv der Insel und des Hauses. Die Arbeit Kingslayer zeigt einen Mann, der im Wasser steht und ein Haus auf dem Kopf trägt. Das Haus ist mit den Worten WAR (Krieg) und DIE (Sterben) beschriftet. „Der Alltag in Istanbul ist geprägt von Gewalt und Unsicherheit“, erzählt Buğra, für den es nicht möglich war, in der Türkei zu bleiben. Schweigen will er trotzdem nicht. Und so offenbart der Künstler seine kritische Haltung mit seinen grafischen, collageartigen Bildern und Zeichnungen.
Zeitgenössische Kunst aus Berlin und Istanbul ist ein wichtiger Schwerpunkt bei Berlinartprojects. Die Galerie, die sich seit 2014 auf der Galerienmeile der Potsdamer Straße befindet und derzeit von Marie DuPasquier kuratiert wird, hat sich zum Ziel gesetzt, junge und internationale Künstler aufzubauen und mit wechselnden Ausstellungen auf ihrem Weg in die internationale Kunstwelt zu fördern.
Die Ausstellung Mind Your Wishes ist vom 27. Mai bis zum 8. Juli im Berlinartprojects zu sehen.