Mystik und Mythologie umgibt dieses Tier, das in vielen asiatischen Kulturen eine zentrale Rolle einnimmt: Der Tiger – die größte Raubkatze auf Erden. Die Ausstellung 2 oder 3 Tiger im Haus der Kulturen der Welt beschäftigt sich mit dem symbolträchtigen Bild der Großkatze. Neun Künstler aus Südostasien zeigen aktuelle Werke, die historische Einblicke in die veränderten Gesellschaftsstrukturen Südostasiens geben. Mit Filmen, Fotos und Animationen werden Konflikte und Traumata rekapituliert, die sich seit 1945 durch die asiatische Gesellschaft ziehen.
Die von Anselm Franke, Chef der Kunst- und Filmabteilung am Haus der Kulturen der Welt, und Hyunjin Kim als Gastkuratorin eingerichtete Ausstellung 2 oder 3 Tiger macht deutlich, wie gegenwärtig die Folgen des Kalten Krieges in der asiatischen Region noch immer sind. Die Kunstwerke erzählen von Unterdrückung, Militarisierung und Ausbeutung und versuchen die Vergangenheit in die Gegenwart zu tragen.
Hey Daddy, Hey Brother
So stellt beispielsweise der in Berlin und Atami (Japan) lebende Künstler Yuichiro Tamura unter dem Namen Hey Daddy, Hey Brother Bomberjacken aus, die mit bunten ostasiatischen Symbolen, wie Drachen oder eben Tiger, bestickt sind. Sukajan werden sie genannt und hängen zu Beginn der Ausstellung an zwei Kleiderstangen. Daneben findet der Besucher einen Spiegel: Er kann die Jacken anprobieren und am eigenen Leibe die zeitgenössische Stilvermengung betrachten.
Während in den 1950er Jahren die Jacken ein beliebtes Souvenir der in Japan stationierten amerikanischen Soldaten waren, wurde die Jacke in den 70ern und 80ern mit dem Symbol der kriminellen Organisation Yakuza assoziiert. Heute ist das Kleidungsstück begehrt wie nie und bei allen Modellabels und Designern im Programm. So stehen die Sakuja-Jacke dem Künstler zufolge für eine kulturelle und zeitliche Verknüpfung der Tradition und der Populärkultur.
Der Höhepunkt der Ausstellung ist die 33 minütige Installation One or Serveral Tigers des Künstlers Ho Tzu Nyen aus Singapur: Auf zwei gegenüber hängenden Leinwänden geht die multimediale Installation der Frage nach, welchen Stellenwert Tiger in einer Welt einnehmen, die sich in einer radikalen Umwälzung befindet. Dabei nimmt er das wandelnde Bild des Tigers und des mysthischen Wertigers in Malaysia und Singapur in den Blick. Der Wertiger ist ein formwandelndes Wesen, das genau wie der Werwolf die Grenze zwischen Mensch und Tier überwindet.
Die Ausstellung 2 oder 3 Tiger zeigt die modernen Mythen Asiens und lässt dabei die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwimmen. Die eindeutige Unterscheidung der verschiedenen Identitäten und Kulturen im asiatischen Raum erweist sich zwar als kompliziert und gerade für Laien nicht immer leicht zu durchschauen. Trotzdem lohnt sich ein Besuch der Ausstellung, denn die Künstler aus dem Fernen Osten, die sich auf Augenhöhe mit internationalen Künstlern befinden, versuchen zumindest mit einfachen Bildern die komplizierten Zusammenhänge für den Besucher vorstellbar zu machen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 3. Juli zu sehen. Parallel zeigt das HKW die Ausstellung „Misfits: Lose Blätter aus der Geschichte der Moderne“, die drei Künstlern ebenfalls aus dem südostasiatischen Raum gewidmet ist.