Wenn der irische Singer-Songwriter Sion Hill auf einen Drink einlädt, dann wird selbstverständlich Whiskey bestellt. So auch an diesem Abend: Wir treffen uns mit dem jungen Iren im Roten Raben, einer gehobenen Eckkneipe in Kreuzberg, unweit des Kottis, mit viel Charme und einer großen Auswahl an Drinks. „Den Roten Raben gibt es erst seit einem Jahr, davor befand sich hier die Brügge Bar„, erzählt uns Barkeeperin Vivian, während sie die Drinks mixt. Wenn die Sonne scheint, lädt die große Außenterrasse dazu ein, das bunte Treiben auf der Kottbusser Brücke zu beobachten. Doch weil das Wetter heute nicht mitspielt, verschlägt es uns auf eine der gemütlichen Couches im Inneren der Bar.
QIEZ: Wann hast du das letzte Mal zu tief ins Glas geschaut?
Sion Hill: „Vorletzte Nacht! Ich bin zurzeit auf Promotour quer durch Europa unterwegs und hatte vorgestern einen Auftritt in Wien. Nach dem Gig wollten wir nur schnell noch eine Pizza essen gehen, der Abend endete schließlich mit sechs Karaffen Wein. Am nächsten Tag musste ich dann wieder früh raus und spielen – es war schrecklich.“ (lacht)
Das Leben eines Rockstars! Dabei startet der Sänger gerade erst durch. Nathan Johnston, aka Sion Hill, stammt aus Mullingar, einer Kleinstadt in den irischen Midlands. Seine musikalische Geschichte beginnt in Dublin, wo er nach seinem Schulabschluss – damals noch mit Gitarrist Joey Weidner an seiner Seite – in einem kleinen Schuppen namens Sweeneys vor stetig wachsendem Publikum spielt. „Wir wussten überhaupt nicht, wohin die Musik uns führen würde und ob wir jemals Geld damit verdienen könnten“, erinnert sich Sion Hill, während vor uns nun die ersten Gläser Whiskey stehen.
Doch schon bald trennen sich die Wege des Duos und Sion Hill beschließt, seinen Weg alleine weiter zu gehen. Kurz darauf unterschreibt er als Solokünstler beim Hamburger Independent-Label Clouds Hill und zieht nach Berlin. „Die Stadt hat sehr viel Charme und Platz für viel Kreativität. Außerdem sind die Menschen sehr unvoreingenommen: Du kannst hier sein, wie du willst.“
Von Selbstverwirklichung handelt auch seine erste Single Nothing’s wrong with loving you, der an den Pop-Sound der 60er erinnert: Ob gleichgeschlechtliche Liebe oder unterschiedliche Hautfarben – in dem Song vermittelt Sion Hill, dass nichts falsch daran ist: Hör auf dich so zu verhalten, wie es andere von dir erwarten und fange an deine eigenen Entscheidungen zu treffen.
Wann wusstest du, dass du Musiker werden willst?
Sion Hill: „Mit elf Jahren war ich Fan der TV-Show Drake & Josh. Vor allem Drake, der coole Junge mit der Gitarre und diesem merkwürdigen Bruder, hatte es mir angetan. Ich fing auch an Gitarre zu spielen. Irgendwann habe ich dann die Rockband The Frames aus Dublin live spielen sehen: Das beste Konzert, das ich je erlebt habe. Und genau das wollte ich auch. Dieses Gefühl auf der Bühne zu stehen, diese Liebe vom Publikum zu spüren und diese Liebe dem Publikum auch zurückgeben zu können.“
Was weiß noch keiner über dich?
Sion Hill: „Ich bin ein großer Coldplay-Fan. Sowohl die alten als auch die neuen Songs finde ich großartig. Ansonsten höre ich zurzeit viel Hip Hop. In Irland entwickelt sich gerade eine interessante Hip Hop-Szene: Jafaris ist sehr talentiert, aber auch das Hip Hop-Trio Hare Squead gehört zu meinen Favoriten.“
Mit seiner Gitarre im Gepäck landet der junge Ire also in Berlin, wo er anfängt auf der Straße und bei öffentlichen Jam-Sessions Musik zu machen. Schnell lernt er andere Musiker mit den unterschiedlichsten Hintergründen kennen und genießt die kulturelle Vielfalt Berlins: „Vor allem was das Essen angeht, ist das internationale Angebot hier riesig. Aber mein großes Problem mit Berlin ist, dass die Menschen kommen und gehen. Ich hatte viele internationale Freunde hier, doch die meisten sind schon wieder weggezogen“, erzählt er, während er sich eine Zigarette anzündet und sich ein zweites Getränk bestellt: Er steigt auf Whiskey-Sour um.
Nach seiner Single-Auskopplung scheint der Glanzstart geglückt zu sein und so wird auch Pete Doherty, der sein letztes Album ebenfalls im Clouds-Hill-Studio aufnahm, auf den Newcomer aufmerksam. Der Rockstar nimmt Sion Hill im Februar 2017 als Support mit auf seine Deutschland-Tour: „Das war großartig“, erinnert sich Sion Hill. „Aber als Vorband musst du das Publikum auch von dir überzeugen. Die Leute kommen ja nicht, weil sie dich sehen wollen. Ich glaube, viele standen dort und dachten sich: ‚Was macht bloß dieser Justin Bieber-Verschnitt da auf der Bühne? ‚“ Er schmunzelt und zündet sich die nächste Zigarette an.
Sein Debütalbum Elephant erinnert jedoch keineswegs an Justin Bieber. Mit Elementen aus Pop, Soul, Gospel und Funk schafft Sion Hill eine ganz eigene Dynamik. Ob sommerliche Tanzrhythmen oder melancholisch sanfte Klänge: Auf dem Album kommt die ganze Bandbreite von Sion Hills Einflüssen zum Ausdruck. Er singt über das Erwachsenwerden, über Veränderungen, Enttäuschungen und über die Liebe: „Darum geht’s doch eigentlich im Leben: Jeder sucht nach Liebe.“
Auf den Namen Elephant brachte ihn übrigens ein Obdachloser in Berlin, der ihm beim Spielen auf der Straße zusah: „Der Mann hatte kein Geld, also gab er mir eine Dose Carlsberg Elephant-Bier als Lohn“, sagt Sion Hill, der den titelgebenden Song für das Album dann nach ihm benannte.
Was ist dein nächstes musikalisches Ziel?
Sion Hill: „Ich will mein nächstes Album aufnehmen. Ich habe schon so viele Ideen und will so viele Songs wie möglich veröffentlichen.“
Doch bevor es wieder ins Studio geht, bereitet sich Sion Hill nun erstmal auf seine erste eigene Elephant-Tour vor: Am 31. Oktober 2017 kannst du dich von dem irischen Newcomer selbst überzeugen und Sion Hill im Musik und Frieden live erleben.
Wir trinken aus und bedanken uns bei Sion Hill für den schönen Abend. Zum Wohl!