Die Einzelhändler am Hansaplatz haben es nicht leicht. Zwar steht in der Wohnanlage aus dem Jahr 1957 Raum für etwa 1700 Menschen zur Verfügung, doch die Zahl der Anwohner sinkt. Darüber hinaus kannten die kleinen Läden dieser im Rahmen der internationalen Bauausstellung entstandenen Siedlung vor einigen Jahrzehnten noch nicht die gewaltigen Einkaufscenter von heute. Metzger und Co. läuft die Kundschaft davon und mit den Umsätzen sinkt auch das Angebot. Die kleinen Einkaufsläden an den Rändern des Areals machen einen tristen Eindruck, scheinen im falschen Jahrzehnt gelandet zu sein. Manch ein Dienstleister bemüht sich mit letzter Kraft um die Gunst der Kunden: So wirbt ein Gasthaus mit „Blitzer-Pizza“ zum kleinen Preis. Ob er die Opfer des nahen Geschwindigkeitsmessers damit überzeugen kann, ist fraglich.
Man hat ohnehin nicht das Gefühl, sich auf einem wirklichen Platz zu befinden. In vier Teile wird der Hansaplatz von den beiden Verkehrsadern Altonaer und Klopstockstraße zerteilt. Der Niedergang der Einkaufs-Anlagen im Nordwesten, am U-Bahnhof Hansaplatz, ist eine starke Belastung für das Klima im Viertel. „Der Abstieg des Einkaufszentrums ist unser größtes Problem“, so der Vorsitzende des „Bürgervereins Hansaviertel“ Thilo Geisler. Die 129 Mitglieder des Vereins können über benachbarte und befreundete Familien nahezu das komplette Viertel aktivieren.
Hansaplatz soll Weltkulturerbe werden
Dabei steht allen Bewohnern ein gemeinsames Ziel vor Augen. Ihre Heimat könne aufgewertet werden „indem Hansaviertel und Karl-Marx-Allee von der Unesco zum Welterbe ernannt werden“. Unter Politikern und Architekten gibt es durchaus Pläne, den Erinnerungsort des Kalten Krieges über diesen Weg auszuzeichnen und zu bewahren. Der Status eines Weltkultur-Erbes könnte Touristen anziehen und dafür sorgen, dass die Restaurants und Geschäfte des Hansaplatzes wieder schwarze Zahlen schreiben, hofft Geisler. Offizielle Anträge wurden bisher aber nicht gestellt.
Dass der Hansaplatz sich auch anders präsentieren kann, das beweist der Ökomarkt der Katholischen Pfarrgemeinde Sankt Laurentius. An jedem Freitag öffnen die Marktstände vor der Kirche ihre Türen. Dann kann man zwischen den zahlreichen Kauflustigen auch mal den Chef der Berlinale Dieter Kosslick treffen. Er lebt im Hansaviertel. Und auch Schauspieler Kevin Costner soll, Gerüchten zufolge, ein Haus im Viertel sein eigen nennen.
Die Lage ist begehrt. Mitten in der Stadt kann man sich am Hansaplatz wie im Grünen fühlen. Wer eine Wohnung in den Hochhaustürmen der Siedlung betritt, der hat einen fantastischen Blick über die Stadt. Nicht nur deshalb besitzen viele Architekten und Kunstschaffende aus dem In- und Ausland im Viertel eine Wohnung. Auch die Architektur so berühmter Männer wie Oscar Niemeyer, Egon Eiermann oder Walter Gropius ist etwas besonderes.
Trübe Aussichten
Doch dem Platz geht ein Teil seiner Attraktivität verloren. Viele Wohnungen stehen über lange Zeiträume hinweg leer, die Zahl der Anwohner des Hansaplatzes sinkt kontinuierlich. Die in den 50er Jahren zugezogenen Bewohner werden alt und die Kinder sind schon lange ausgezogen. Die Geschäfte können keine Umsätze mehr machen und es wird weniger Miete gezahlt – zu wenig, um Hausbesitzer zum Investieren anzuregen. Der Bezirk Mitte kann auch keine Finanzmittel aufbringen. Laut Bürgermeister Christian Hanke (SPD) herrsche Haushaltsnotlage. Doch er weiß um den Bedarf der Anwohner. Sie bemängeln die Außenanlagen. Private Investoren eröffneten zwar eine öffentliche Toilette, doch das WC brachte keine Einnahmen und wurde geschlossen.
Ein kultureller Anziehungspunkt konnte sich bisher auf dem Gelände halten: das Grips-Theater. Doch nun hat auch dieses viel gepriesene Jugendtheater Zahlungsengpässe. Der seit 40 Jahren aktiven Einrichtung sollen Mittel gestrichen werden. Die Bühne kann zwar nicht über mangelnden Zuspruch klagen, doch die Jugendlichen können nur wenig Eintritt zahlen. 150.000 Euro fehlen deshalb in diesem Jahr in der Kasse und Intendant Volker Ludwig erklärte in dieser Woche, einige Vorstellungen für Schüler müssten vom Spielplan genommen werden. Damit büßt das Theater an Sinn ein.
Hemmschuh Denkmalschutz
Die Architekten der Nachkriegsmoderne hatten sich helle Wohnräume und barrierefreie Anlagen zum erklärten Ziel gesetzt. Von diesem 50er-Jahre-Stil ist heute wenig geblieben. Das Flachdach des Einkaufszentrums, durch das Abschnitte der Anlage miteinander verbunden werden, birgt eine düstere Atmosphäre. An ihr sind auch die nach den 50ern hinzugekommenen Bauten Schuld. Der Denkmalschutz, der 1995 über das Gelände verhängt wurde, wirkt sich hier negativ aus. Die Pläne des Bürgervereins, die Dunkelheit durch frische Farbe zu vertreiben, wurden gestoppt. Zunächst muss alles beim Alten bleiben.
Wie die Denkmalschützer wohl die Pläne des Architekten Steffen Brodt aufnehmen würden? Er möchte das dunkle Holzdach durch Glas ersetzen und der Sonne einen Einblick ins Herz des Hansaviertels erlauben.