Das Schöne an fiktionalen Stoffen ist, dass man sich die Realität zurechtbiegen kann. So erzählt die ZDF-Mini-Serie Die neue Zeit von den Gründerjahren der Bauhaus-Kunstschule in Weimar und verknüpft die historischen Stränge und berühmten Figuren durch Freundschaften und eine Liebesgeschichte zwischen Studentin Dörte Helm und Direktor Walter Gropius. Die typische Werden-sie-die-verbotene-Liebe-ausleben-Frage trägt den Zuschauer durch die sechs Folgen und die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse der 1920er Jahre: das Erstarken der Rechten, die Revolte der Linken, das biedere Bürgertum mit seinen starren Traditionen und die aufflackernde Emanzipation.
Tolle Schauspielerinnen
Apropos Emanzipation: Es ist drei beeindruckenden Frauen zu verdanken, dass die Serie lebendig bleibt. Anna Maria Mühe nutzt als Dörte Helm die Bandbreite ihrer darstellerischen Möglichkeiten, um dem spannenden Charakter der nicht ganz so bekannten Bauhaus-Künstlerin gerecht zu werden. Die gebürtige Österreicherin Valerie Pachner, die bisher vor allem Münchner Residenztheater-Besuchern ein Begriff war, ist ein Gewinn für die deutsche TV-Landschaft. Als Gunta Stölzl bringt sie frischen Wind und Tiefgang in jede Szene. Last but not least: Birgit Minichmeyer als Alma Mahler ist eine Wucht: emotional und immer auf dem Punkt.
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Von Gropius enttäuscht
Die Rahmenhandlung, in der August Diehl als älterer Herr Gropius von einer Vanity-Fair-Journalistin (Trine Dyrholm) interviewt wird, ist dagegen ermüdend. Die Eröterung der Frage, ob das Bauhaus die Gleichberechtigung der Frau nun wirklich gefördert hat, wird zwar ständig erwähnt, bekommt aber durch das Drehbuch zu wenig Raum. Zum Teil wirkt es fast so, als seien die Frauen auch im Bauhaus nur Spielbälle der Männer… Die Schlaffheit der Interviewsituation setzt sich auch in August Diehls Darstellung des jüngeren Walter Gropius fort. Erklären können wir uns das nicht, schließlich hat Diehl schon oft genug bewiesen, einer der besten Schauspieler des Landes zu sein. Die Kolleginnen spielen ihn an die Wand und es scheint, als dürfe er nur mit seinen Augen dagegenhalten.
TV-Unterhaltung
Sehenswert ist Die neue Zeit trotzdem. Die Mini-Serie bietet unterhaltsames Bildungsfernsehen (Achtung: Wie anfangs erwähnt, ist es keine Dokumentation und somit ist nicht alles historisch belegt) und einen Ausstattungstraum für Design-Fans. Auf jeden Fall ist es außerdem die bequemste Art, das Jubiläum 100 Jahre Bauhaus zu feiern: auf der heimischen Couch vor dem Bildschirm.
Die Serie läuft am 15., 16. und 17. September 2019 jeweils als Doppelfolge ab 22:15 Uhr im ZDF. In der ZDF-Mediathek sind die sechs Folgen á 45 Minuten schon ab dem 10. September 2019 abrufbar.