Zwei Mädchen rollen auf Fahrrädern heran. Die Blicke gehen nach oben und die beiden schauen mit offenem Mund Emu Stahlmann bei der Arbeit zu. Die spielt sich mehrere Meter über dem Boden ab. Gerade montiert der 41-jährige gebürtige Berliner ein Geländer aus Seilen an der Treppe, die sich um einen dicken Baumstamm windet. In der mehr als 300 Jahre alten, rund 30 Meter hohen Eiche entsteht ein Baumhaus.
Stahlmann baut mit seiner Firma Luftschlösser Kindheitsträume zwischen Astgabeln – für private Auftraggeber, für Hotels ebenso wie für ein Jugendferienlager und die Bundesgartenschau in Potsdam. Beim aktuellen Projekt in Köpenick führen die Stufen ins Traumschloss über eine Zwischenplattform mit Geländern aus geschälten Ästen auf eine etwa zwölf Quadratmeter große Ebene. Auf der hinteren Hälfte steht das Haus, die Fenster kunstvoll geschwungen, auch das Dach in ungewöhnlicher Form, wie gefaltet. Wo es geht, möchte Stahlmann rund konstruieren statt eckig. Die genaue Fläche des Hauses sei schwer zu berechnen, sagt er und lacht. „So ohne rechte Winkel.
Die Baumhäuser sind flexibel, stark und biegsam
So ist auch jedes Schloss, das er dort errichtet, einzigartig. Mal gibt es eine Plattform, mal mehrere Etagen. Je nach Baum bieten sich unterschiedlichste Befestigungen an: gestützt, geklemmt, gehängt, geschraubt, sowie Kombinationen daraus. Es gibt Treppen, Strickleitern, Hängebrücken; einmal entschied sich der Auftraggeber für einen elektrischen Fahrstuhl. Am liebsten hat Stahlmann die besonderen Herausforderungen, die der Baum ihm stellt. Etwa wenn ein Ast durch das Haus ragt, der genügend Spielraum braucht, damit der Baum sich bewegen kann ohne dass es hereinregnet.
Baumhaus in Wendenschloß
Wendenschlösschen haben Emu Stahlmann und sein Team ihr Köpenicker Baumhaus genannt. Es entsteht in der Ortslage Wendenschloß auf einem noch unbebauten Grundstück, für die vier bis sieben Jahre alten Kinder der Familie, die dort künftig wohnt. Die Auftraggeber leben bereits in der Nachbarschaft und werden ständig auf das Baumschlösschen angesprochen, das hier innerhalb von zwei Wochen entsteht.
Noch liegt Werkzeug und Baumaterial herum, wo später Kinder spielen und Erwachsene dem Alltag entfliehen werden. Auf dem Dach legen zwei von Stahlmanns Mitarbeitern eine Pause ein. Abends haben sich die Auftraggeber angekündigt. Das Verhältnis sei anders als sonst auf dem Bau, sagt Stahlmann. Auf seinen Baustellen ist es gewissermaßen Ritual, dass die Auftraggeber mit dem Team schon mal ein bisschen Freiheit schnuppern wollen. „Die kommen dann mit Pizza, Cola und Schnaps und setzen sich zu uns in den Baum“, sagt Stahlmann. Die Leute in seinem Team sind Freigeister wie er, der studierte Psychologe, der nach dem Diplom in einen umgebauten Feuerwehrwagen auf einen Wagenplatz in Kreuzberg zog und beschloss, sein Geld mit den Händen zu verdienen.
Nicht nur für Kinder: So werden Baumhäuser genutzt
Drei bis vier Baumhäuser baut er im Jahr, für die die Kunden in der Regel ab 10.000 Euro zahlen. Emu Stahlmann glaubt, dass der Reiz auch darin liege, sich dem Lebewesen Baum auszuliefern und zu vertrauen. „Es gibt kaum noch reale Gefahren in unseren Leben. Die sind ja voller TÜV-Abnahmen und Lebensversicherungen“, sagt Stahlmann. Er blickt über die Köpenicker Nachbarschaft. Selten fühle er sich so lebendig wie bei seiner Arbeit zwischen den Ästen.
Als ersten Schritt versuche er daher immer, die Auftraggeber in den Baum zu locken. „Meistens ist das Baumhaus ja offiziell für die Kinder“, sagt Stahlmann. Oft finde er beim Gespräch heraus, dass die Auftraggeber das Baumhaus eigentlich für sich selbst haben wollen. Ein Vater aus Hohen Neuendorf etwa ließ ein Baumhaus für seine Kinder bauen – in das er dann einen W-Lan-Verstärker und eine Heizung legte. „Der hat sich da oben sein Büro eingerichtet“, sagt Stahlmann.
Jedes seiner Baumhäuser sei wie ein Baby, sagt Stahlmann. Wenn der Bau abgeschlossen ist, kommt er in der Regel einmal im Jahr zur Kontrolle. Ansonsten weiß er die Träume, die er hoch über dem Boden verwirklicht, ja in guten Händen – sowohl bei den Auftraggebern als auch beim Baum.
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