Bäume gefällt

Was passiert eigentlich an der Ackerstraße?

Seit gestern Mittwochabend sieht es an der Ecke ganz anders aus, die Bäume an der Ecke Ackerstraße / Elisabethkirchstraße wurden gefällt.
Seit gestern Mittwochabend sieht es an der Ecke ganz anders aus, die Bäume an der Ecke Ackerstraße / Elisabethkirchstraße wurden gefällt.
Brunnenkiez - Jahrelang wurde über die Nutzung des Grundstücks diskutiert, dann verkaufte es die Stadt. Ein Teil ging an das Architekturbüro Graft, ein anderer für die Rettung des Schokoladens an Bauherr Markus Friedrich und eine dritte Parzelle an die Designerin Jette Joop. Jetzt wurden an einer Ecke Bäume gefällt - was wird hier entstehen?

Im August 2006 wurde das asbestverseuchte ehemalige Gebäude der Hemingway-Oberschule abgerissen. Seitdem stand das gesamte Areal an der Ackerstraße zwischen Elisabethkirch- und Invalidenstraße frei. Dabei handelt es sich um ein beliebtes, sogenanntes Filetgrundstück im trendigen Brunnenkiez.

Schon bald meldeten bekannte Namen dafür Interesse an: die Modedesignerin Jette Joop und das internationale Star-Architektenbüro Graft. Die eine plante, den Firmensitz der Jette GmbH von Hamburg nach Berlin zu verlegen, die anderen hatten ein neues Kreativzentrum für die Hauptstadt im Sinne – mit kombiniertem Arbeits- und Wohnbereich. Der Bezirk wollte dort allerdings lieber neuen und bezahlbaren Wohnraum einrichten. Und was sollte eigentlich aus dem traditionsreichen Wohn- und Kulturprojekt Schokoladen nebenan in der Ackerstraße 169 werden? Auch dafür musste entweder eine neue Unterkunft gefunden oder eine andere Lösung ausgemacht werden.

Bezirk vs. Jette

Das etwa 7500 Quadratmeter große Areal war also hart umkämpft. Vor allem um die Schmuck- und Modefirma der Tochter Wolfgang Joops entbrannte ein Streit. Der Senat begrüßte nämlich die Neuansiedlung des namhaften Unternehmens in Berlin, der Bezirk stimmte grundsätzlich ein, bat die Jette GmbH jedoch, sich ein anderes Grundstück in Mitte zu suchen. Grüne, SPD und Linke schickten sogar einen offenen Brief an Frau Joop, in dem sie erklärten, dass der Bebauungsplan und die stadtentwicklungspolitischen Ziele für das Gebiet vor allem Wohnraum vorsehen und eine gewerbliche Firmenansiedlung dem widerspräche. Seit Langem beabsichtigte der Bezirk nämlich ein Mehrgenerationenwohnprojekt entwickeln zu lassen, was allerdings dadurch gebremst wurde, dass der Senat das Grundstück für das Modeunternehmen reservierte.

Auf den Brief kam allerdings nie eine Antwort und nach einigem Hin und Her – 2011 pausierte die geplante Vergabe, da die Jette GmbH ihre Pläne noch nicht ausreichend dargestellt hatte – verkaufte der Senat ohne Einbezug des Bezirks 2013 einen Teil des Filetgrundstücks dann in einer Direktvergabe an das Unternehmen. Es hieß, eine Bedingung für den Kauf sei der Umzug des gesamten Firmensitzes von Hamburg an die Ackerstraße. Das stimmt einige allerdings bis heute skeptisch, da der Bebauungsplan für das Gebiet oberhalb des zweiten Vollgeschosses nur Wohnungen zulässt, was wenig Platz für Geschäftsräume übrig ließe. Andere befürchten, dass aus dem Ganzen lediglich eine Briefkastenfirma wird. Bis heute hat die GmbH die genauen Pläne nicht offen gelegt und auch seitens der Verkäufer, des Berliner Senats, gibt es keine Informationen darüber, warum es zu dieser Direktvergabe kam. So konnte Jette Joop die Fläche nämlich zum Verkehrswert erstehen und musste keine anderen Bietenden übertreffen. Aus der Opposition hagelte es Kritik für dieses Vorgehen und Piraten und Grüne forderten eine Erklärung der Vergabegründe, auch gegen den möglichen Vorwurf, hier würden aufgrund des bekannten Namens Vorteile gewährt.

Schokoladen gerettet, Wohngebäude kommt

Auf dem Nachbargrundstück geht es nun voran – zumindest die Bäume sind schon mal gefällt. Hier plant Bauherr Markus Friedrich ein Wohngebäude. Auch dieses hat allerdings eine konfliktreiche Vorgeschichte. Bis zum Jahr 2012 gehörte Friedrich nämlich das Gebäude in der Ackerstraße 169, in dem sich der Schokoladen befindet. 17 Jahre konnte das alternative Kultur- und Wohnprojekt sich trotz Konflikten mit dem neuen Eigentümer halten, dann plante dieser jedoch eine Sanierung des alten Gebäudes, kündigte dem Schokoladen erneut und setzte sogar schon einen Räumungstermin gerichtlich durch. Es folgten nicht nur laute Proteste und Demonstrationen, auch zahlreiche Künstler, unter anderem Wladimir Kaminer, setzten sich für den Erhalt ein.

Auch der Staatssekretär für Stadtentwicklung Mitte, Ephraim Gothe (SPD), engagierte sich für den Schokoladen und konnte schließlich einen Tauschhandel vorschlagen: Friedrich verkauft die Ackerstraße 169 an die Schweizer Stiftung Edith Maryon – welche das Gebäude in Erbpacht an den Schokoladen weitergibt und somit sein dauerhaftes Fortbestehen sichert – und Friedrich bekommt in Direktvergabe eins der drei Grundstücke an der Ecke zur Invalidenstraße, um dort ein neues Gebäude hochzuziehen und sein Bauvorhaben von Mietwohnungen und Gewerberäumen zu realisieren. Wie es aussieht, ist Friedrich unter Joop und Graft der erste, der sein Vorhaben auf dem Filetstück in die Tat umsetzt.

Nachhaltiges Wohnen und Planen nebenan

Vergleichsweise fast schon still und leise ging die dritte Parzelle des Filetgrundstücks über den Tisch. Das gehört nun dem Graft Architekturbüro – welches es ohne Direktvergabe und zu unterstellendem Vorteil aufgrund des bekannten Namens – in einem regulären Prozess für mehr als den Verkehrswert erworben hat. Die Star-ArchitektInnen, welche schon mit Brad Pitt bauten und auch in Charlottenburg das Hotel Q! entwarfen, hatten ursprünglich eine größere Fläche ins Auge gefasst, um an dem Standort ein neues Kreativzentrum mit kombiniertem Wohnen und Arbeiten zu errichten. Mit der Favorisierung des Senats für die Jette GmbH ist dann allerdings nur noch ein kleineres Areal übrig geblieben.

Nichtsdestotrotz soll hier ein Zentrum für die „überregionale und internationale Sichtbarkeit Berliner Planungskompetenz“ entstehen, wie es die Architekten ankündigen. Weitere Unternehmen mit Fokus auf nachhaltige Architektur und Stadtplanung werden ihren Firmensitz an die Invalidenstraße verlegen. Dabei sollen etwa 75 Arbeitsplätze entstehen. Um auch den Vorgaben des Bebauungsplans gerecht zu werden, hat Graft vor, ein bis zwei Drittel der Fläche für Wohnungen zu nutzen. Auf ihrem Areal stehen die Bäume noch, der Zeitplan hat sich nämlich etwas verzögert und das Projekt wird nächstes Jahr aktiv angegangen.

Was passiert eigentlich an der Ackerstraße?, Ackerstraße , 10115 Berlin

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