„Das ist doch mal eine originelle Idee, wer möchte hin?“, lautete die Frage, als die Einladung aus dem Dominastudio im Redaktionspostfach aufploppte. Ich war besonders neugierig auf das Studio Lux und die Arbeit hinter verschlossenen Türen. Also ging es für mich mit meinem Freund im Schlepptau diesen Sonntagmorgen statt zum Frühstück ins hippe Café zur BDSM-Einführung nach Tempelhof …
Vor Ort angekommen, müssen wir erst ein bisschen suchen, bis wir das Klingelschild mit der Aufschrift Lux entdecken. Das Studio befindet sich nämlich im Hinterhof eines unscheinbaren Wohnkomplexes – Rotlicht und Leuchtreklame Fehlanzeige. Studioinhaberin Johanna Weber öffnet uns und den anderen Besucher*innen die Tür im legeren Alltagsoutfit – ein softer Einstieg für die Neulinge. Sie betreibt das Studio gemeinsam mit zwei anderen Dominas und das Konzept boomt: Drei Themenräume stehen im Lux zur Verfügung, die von selbstständigen Sexarbeiter*innen, aber auch von Privatpersonen angemietet werden können. Letzteres war vor dem Lockdown erlaubt, für professionelle Sexworker*innen gilt seit März 2020 wegen der Hygienemaßnahmen allerdings Berufsverbot. Deshalb werden im Studio Backstage-Touren durch die Räumlichkeiten angeboten, um die finanzielle Lücke wenigstens ein bisschen auszugleichen und einen ungezwungenen Einstieg in die Welt des SM (Sadomaso) zu ermöglichen. „Die Idee hatten wir schon länger, wegen Corona hatten wir jetzt auch die Zeit, sie umzusetzen“, erzählt Johanna.
Mit dabei ist auch Master André, der als selbstständiger Dominus regelmäßig die Zimmer im Lux nutzt. Wie Johanna hat auch er lange im Marketing gearbeitet, bis er sich für eine Karriere als Sexworker entschied.
Die Tour startet in einem Raum mit hohen Decken, unverputzter Backsteinwand und knarrendem Dielenboden. Eigentlich ganz gemütlich, die Peitschen und Knebel in der Ecke erinnern dann allerdings schnell daran, dass hier nicht gekuschelt wird. Alle unsere Fragen, auch die besonders intimen, werden von Johanna ausführlich beantwortet. Zusätzlich demonstriert sie den Einstieg in eine Session – natürlich alles ganz unschuldig und bekleidet. Während ich ihr so bei der Arbeit zusehe und ihren Erzählungen lausche, merke ich sofort: Diese Frau liebt ihren Job. „Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Mensch und das Rotlicht hat mich schon immer fasziniert. Es war also wenig überraschend, dass ich mich mit 43 Jahren dazu entschied, diesen beruflichen Weg zu gehen“, sagt sie.
Weiter geht’s im nächsten Zimmer, das Master André und seinen Kund*innen als Spielwiese dient. Mir fällt sofort auf: Ein Bett sucht man hier vergebens. „Das ist nicht so mein Ding… Sex im Bett“, verrät er uns. Stattdessen gibt es genug andere Möbelstücke, die als Lustfläche genutzt werden können: eine von der Decke hängende Lederschaukel mit Beinschlingen, ein Gynäkologenstuhl oder die Spanking Bank. Bei der Ausstattung braucht es nicht viel Fantasie, um sich den Ablauf einer Session auszumalen. Die Erläuterungen von Dominus bezüglich der Maschinen bringen mich dann aber trotzdem zum – vorsichtig ausgedrückt – Staunen. „Da fließt auch schon mal Blut oder das Hinsetzen gestaltet sich für einige Tage danach äußerst schmerzhaft“, offenbart er. So viel sei gesagt: Fifty Sades of Grey ist eine softe Romanze im Vergleich zu den Demütigungs-Shows, die von den Kund*innen – übrigens 80% Männer und 20% Frauen – nicht selten gewünscht werden.
Im Anschluss zur Führung gibt es noch eine kleine Talk-Runde bei Kaffee und Keksen auf der Terrasse im Garten. Natürlich kommen wir an dem Thema Corona-Maßnahmen nicht vorbei. Seit über einem Jahr konnten Sexarbeiter*innen ihrem Job nicht nachgehen. Dabei durften andere Dienstleistungen mit engem Körperkontakt wie beispielsweise Massagen zwischenzeitlich wieder in Anspruch genommen werden. Das in manchen Bundesländern immer noch geltende Verbot führt dazu, dass viele Sexworker*innen heimlich auf der Straße oder in Hinterzimmern arbeiten und somit einem höheren Risiko ausgesetzt sind als in seriösen Studios.
„Das fühlt sich erstmal gut an, dass es Bundesländer gibt, die uns mit reinnehmen in die Öffnungspläne. Die Freude darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ebenso Bundesländer gibt, die unverrückbar bei einer Schließung bleiben“, kommentierte Johanna, die auch beim Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen tätig ist, die Lockerungspläne gegenüber der Deutschen Presseagentur Ende Mai. Deshalb, aber natürlich auch, um die eigene Existenz zu sichern, setzt sich Johanna weiterhin für eine schnelle Wiedereröffnung aller Vergnügungszentren ein. Zumal ein Hygienekonzept vor allem im Studio Lux leicht umsetzbar ist. Die Räumlichkeiten sind wirklich penibel gereinigt und alles, was wir berührt haben, wurde anschließend gründlich desinfiziert.
Bist du neugierig geworden? Für die Touren (25 Euro pro Person) kannst du dich per E-Mail anmelden, alle Termine findest du auf der Webseite.