Ben Wagin hat schon mit Bertolt Brecht in der Kantine gesessen und mit Willy Brandt Elefanten gefüttert. Heute sitzt der klein gewachsene Mann, der nicht Künstler genannt werden möchte, gerne oberkörperfrei mit einer Tasse Tee in seiner Wohnung und arbeitet an Installationen oder Objekten. Die haben viel mit Natur zu tun. So kocht er aus Kastanien einen dickflüssigen Sud, um damit zu malen. Passenderweise trägt er dazu eine Kappe mit Ginko-Emblem.
Diese Szenen sind im neuen Dokumentarfilm Ben Berlin – Aus diesem Trallala kommst du nicht raus von Sobo Swobodnik und Pantea Lachin zu sehen. Die Filmemacher haben den 86-Jährigen über einen längeren Zeitraum begleitet und zeigen seinen Alltag und sein künstlerisches Schaffen. Seine Werke sind bis heute Teil von Berlin und sogar von der S-Bahn aus zu sehen. Dazu gehört zum Beispiel das Wandbild Weltenbaum II von 1985 am S-Bahnhof Savignyplatz. Zum 40. Jahrestag des Kriegsendes entstand das Werk, was 2013 durch Wagin neu bearbeitet wurde. Es ist eine Erinnerung an die NS-Geschichte.
1990 errichtete Wagin auf einem Gelände des ehemaligen Todesstreifens gegenüber dem Reichstagsgebäude den Gedenkort Parlament der Bäume. Hier soll den Todesopfern der Berliner Mauer gedacht werden. Dafür pflanzte Wagin Bäume, stellte Plakate her und brachte 58 Mauerteile an originärer Stelle an.
Ben Wagin pflanzte bereits mehr als 50.000 Bäume
Schon als die Mauer noch stand pflanzte Wagin im Westen Bäume an Straßenachsen, die durch die Mauer geteilt waren, erinnert sich ein Weggefährte in der neuen Doku. Wagin habe es auch im Osten versucht, was auf wenig Gegenliebe stieß. Die Verbundenheit zu Bäumen aber blieb. „Bei 50.000 hab ich aufgehört zu zählen„, sagt Wagin.
Seinen Dickkopf und seine Penetranz hat er auch im Alter nicht abgelegt. Er bleibt hartnäckig am Telefon, um Ämter für seine Sache zu gewinnen. Sein Ziel: In allen Bezirken Denksteine für die Jahre 1933, 1938 und 1945 zu errichten. Bisher ist er bei zehn Bezirken angekommen. Für die Kosten kam auch einmal sein guter Freund und Berliner Playboy Rolf Eden auf. Ben Wagin weiß also zu überzeugen und sich zu helfen. So erinnert sich der Regisseur und Schauspieler Hermann Treusch, dass Wagin ein circa 16 Meter langes Schiff mit Bäumen direkt vor die Staatsoper stellte. Die Polizei fand es nicht lustig, aber mit Trick 17 blieb das Boot mehrere Wochen stehen. Am Ende ließ die Staatsoper das Objekt sogar beleuchten. Die ganze Geschichte wird im Film erzählt.
Die Dokumentation Ben Berlin zeigt neben dem vor Energie strotzenden Wagin aber auch einen Mann, der Beschimpfungen von sich lässt und sich im nächsten Moment Gedanken darüber macht, was mit seinem Vermächtnis wird. Die Kamera begleitet den 86-Jährigen sogar mit ins Krankenhaus. So entsteht ein umfangreiches Bild von einem Mann, der sich über 60 Jahre für das Erinnern und die Natur einsetzt – auch durch die unterschiedlichen Wortmeldungen von Zeitzeugen und Politikern wie Monika Grütters (Staatsministerin für Kultur und Medien, CDU) und Rita Süßmuth (Bundestagspräsidentin a.D., CDU) .
In Ben Berlin hat es der Zuschauer aber nicht immer leicht. Schließlich scheint Wagin manchmal mitten im Gespräch zu sein, wenn die Kamera dazu kommt. Dadurch lassen sich die Zusammenhänge einer Unterhaltung nicht sofort erschließen. Trotzdem ist die Dokumentation sehenswert für Berliner, die sich schon immer gefragt haben, wer eigentlich hinter den Bäumen und Gedenktafeln mitten im Regierungsviertel steckt.
Der Film läuft ab dem 13.Oktober im Kino Zukunft in Friedrichshain. Mehr Informationen über die Spielzeiten findet ihr auf der Internetseite vom Zukunft am Ostkreuz.