Albert Einstein wäre bestimmt zufrieden mit seiner Straße. Links und rechts kleine Gebäude, hell und freundlich gestrichen, viel Glas und Grün, frisch gepflanzte Ahornbäume. So ungefähr könnte eine Miniatur des Campus von Yale, Princeton oder Stanford aussehen. Adlershof wäre gern das deutsche Yale, Princeton oder Stanford. Dafür sind seit der Wiedervereinigung knapp zwei Milliarden Euro investiert worden und viele neue Häuser und Straßen gebaut worden, sie tragen die Namen von Wissenschaftlern wie Isaac Newton, Gottfried Leibniz, Gustav Kirchhoff oder eben Albert Einstein. Adlershof schmückt sich gern mit gescheiten Köpfen.
Im Südosten Berlins sucht Deutschland Anschluss an die Welt der Hochtechnologie, vermarktet unter dem schönen Namen Wista, er steht für „Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof“. Humboldt-Universität, Helmholtz-Zentrum und allerlei private Unternehmen und Institute haben sich dort breitgemacht, wo vor der Wende die Akademie der Wissenschaften der DDR residierte. Hier verteidigte die Physikerin Angela Merkel 1986 ihre Dissertation, aber damals fand die Forschung weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass wir damals mit denen viel zu tun hatten“, sagt Heinz-Florian Oertel, einer, der sehr wohl im Licht der Öffentlichkeit stand. In einer Zeit, als es noch keine Albert-Einstein-Straße gab, die DDR aber schon über Adlershof den Anschluss an die weite Welt suchte. Von 1956 bis 1991 sendete hier der Deutsche Fernsehfunk, über den größten Zeitraum unter dem Namen „Fernsehen der DDR“.
Fernsehen und Wissenschaft gehen Hand in Hand
Oertel war ein Mann der ersten Stunde und er blieb bis zur letzten am 31. Dezember 1991. 17 Mal wählte ihn das Publikum zum „Fernsehliebling des Jahres“. Der Mann mit der blumigen Sprache und dem breiten Scheitel berichtete von 17 Olympischen Spielen und acht Fußball-Weltmeisterschaften. Heute steht er vor seinem 88. Geburtstag, aber an seine erste Sendung aus Adlershof kann er sich immer noch erinnern. Sie hieß „Richtig geschaltet“ und war „ein Quiz mit einer Kindereisenbahn, das wäre jetzt ein bisschen zu kompliziert, die Regeln genau zu erklären, aber es war sehr unterhaltsam“. Später fand er sein erfolgreichstes Format „Porträt per Telefon“, das immerhin 254 Mal auf Sendung ging. Sein erstes Porträt widmete Oertel dem Physiker Manfred von Ardenne, ein kleiner Gruß an die benachbarten Kollegen von der Akademie der Wissenschaften.
Heute blättert an manchen Stellen die weiße Farbe von Ehrlichs Studios, sie werden immer noch genutzt und einige neue dazu. 24 Jahre nach der Abwicklung des Deutschen Fernsehfunks ist Adlershof bestens im Geschäft. Knapp 150 Medienunternehmen haben sich hier niedergelassen. Anne Will sendet ihre Talkshow live aus Studio D, Ulrich Meyer seine „Akte – Reporter decken auf“. Dazu kommen Formate wie „Let’s Dance“ oder „The Voice of Germany“. Und 2002 ließ Wolfgang Becker in Adlershof für „Goodbye Lenin“ die späte DDR wiederauferstehen.
Adlershof lockt Forscher und Angestellte
Das Interesse des einstigen Fernsehlieblings der DDR an seinem ehemaligen Arbeitsplatz hält sich in Grenzen. „In Adlershof war ich nicht mehr, seitdem der DDR-Sendebetrieb abgewickelt wurde. Wie sich das alles verändert hat, kenne ich nur aus der Zeitung“, sagt Heinz-Florian Oertel. Wenn er ins Plaudern kommt, verfällt er sofort wieder in die sonore Tonlage, die ihn früher als Reporter beim Fernsehen ausgezeichnet hat – dabei sieht er sich selbst mehr als Mann des Radios: „Wenn ich heute noch einmal zwischen Rundfunk und Fernsehen wählen könnte, dann würde ich immer wieder den Rundfunk wählen.“
Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass er keinen Abschiedsschmerz verspürt. Nein, er trauere der Zeit in Adlershof nicht nach, sagt Oertel. „Irgendwann muss mal Schluss sein. Ich habe dort keine Minute zu viel verbracht. Bei mir hieß es immer: kommen, arbeiten, gehen.“ Hunderte Male hat er sich mit dem Auto aus Mitte nach Adlershof durch den Berliner Verkehr gequält, „rund eine Stunde hat es gedauert“. Der Stau auf dem Adlergestell ist keine Erfindung der Nachwendezeit.
Auch das würde Albert Einstein gewiss gefallen.