Buchrezension

Friedrichshain kocht

In dem Buch "Friedrichshain kocht" stellen sich die Macher vom Büchertisch selbst vor. Außerdem gibt es viele andere spannende Einblicke in den Bezirk.
In dem Buch "Friedrichshain kocht" stellen sich die Macher vom Büchertisch selbst vor. Außerdem gibt es viele andere spannende Einblicke in den Bezirk.
Friedrichshain - Wenige Tage vor dem Druck war immer noch nicht genug Geld für die Umsetzung des Buches "Friedrichshain kocht" zusammengekommen. Am Ende war das Crowdfunding aber doch erfolgreich und das Kiezkochbuch lag pünktlich zum Weihnachtsfest 2014 bei Freunden und Unterstützern unterm Baum. Jetzt ist das kleine, quatratische Prachtstück auch auf unserem Schreibtisch angekommen.

Ein zwölfköpfiges Team des Berliner Büchertisches ist zum Quatschen und Kochen durch Friedrichshain gezogen und hat dabei aufgedeckt, wer hinter den vielen kreativen und sozialen Projekten im Bezirk steckt. Damit der alternative und kulinarische Stadtführer „Friedrichshain kocht“ umgesetzt werden konnte, waren nicht nur viele ehrenamtliche Arbeitsstunden nötig, am Ende konnte das Buch nur mithilfe von Crowdfunding gedruckt werden. Über die Idee und Umsetzung, kannst du hier mehr lesen. Jetzt geht’s nämlich um den Inhalt:

„‚Friedrichshain kocht‘ kartographiert die soziokulturelle Landschaft Friedrichshain im Umbruch und Wandel“, lautet der erste Satz im Vorwort. Klingt verkopft, ein bisschen trocken, ganz anders als das, was einen in dem Kiezführer eigentlich erwartet: Es geht um junge Kreative, neue Projekte, interessante Persönlichkeiten und um Vereine, die es im Kiez schon ewig gibt. Sie alle wurden vom Team des Berliner Büchertisches besucht, interviewt und zum Kochen aufgefordert.

„Allet schon jesehn“ ist hier nicht drin

Das Buch weist den Weg zu Holunder- oder Berliner Kartoffelsuppe, zu portugiesischem Fischeintopf und Senfsushi mit Rote-Beete-Segel, zu Zitronentarte und Eis mit Honig-Walnüssen. Vor allem aber zeigt es, wie kreativ Leute im Friedrichshain sind.

Wer sich im Bezirk auskennt, der wird auf vielen Fotos Einrichtungen und Menschen wiedererkennen, war vielleicht selbst schon in dem einen oder anderen Laden. Richtig spannend wird es aber bei Sachen, die man in der Umgebung nicht vermutet hätte oder bei denen man sich schon immer gefragt hat, was hinter dieser oder jener Tür passiert. Und natürlich gibt es auch Aha-Momente, die einen künftig mit einem ganz neuen Blick die immergleichen Wege ablaufen lassen. Dieser Café Pavillon am Boxhagener Platz, den viele im Augenwinkel als öffentliche Toilette wahrnehmen mögen, ist zum Beispiel ein Projekt für Kinder und Jugendliche in Not. Drinnen gibt es statt Urinstein Kafee, Kuchen und sogar ein eigenes Modelabel. Und vielleicht ist das Kiezsofa, die Wagenburg Laster und Hänger, der Menschenskindergarten oder der Vöner ja auch noch nicht jedem ein Begriff? Und wenn viele Leute erfahren, dass Annemirl eine bemerkenswerte Künstlerin aus Ost-Berlin war, wird dann der im fried’lhainer Volksmund propagierte „Lenbach Platz“ bald bei seinem richtigen Namen genannt, nämlich Annemirl-Brauer-Platz?

In den Interviews soll es aber nicht nur darum gehen, einzelne Personen und Vereine vorzustellen, sondern auch darum, wie Friedrichshain sich seit der Wende vom kreativen Arbeiterviertel zu attraktivem Bauland entwickelt hat. Wer das Buch liest, der soll am Ende einen Eindruck davon haben, was Friedrichshain eigentlich ausmacht und wie die Menschen vor Ort drauf sind, verspricht das Vorwort. Und tatsächlich sind die Fragen an die Portraitierten immer wieder kiezbezogen: beim Jugend[widerstands]museum wird gefragt, ob es in Friedrichshain noch eine Widerstandskultur gibt, mit den Betreibern des Badehauses Szimpla wird auch besprochen, wie es mit dem RAW-Gelände weitergehen soll.

 

Der literarisch-kulinarische Tritt in den Hintern

Die matten Seiten des Büchleins beherbergen tolle Fotos, informative Interviews und natürlich leckere Rezepte, zu denen es immer auch ein veganes Pendant gibt. Schlägt man es auf, hat man nicht nur Lust, den Kochlöffel zu schwingen, sondern auch, den Hintern hochzukriegen – sei es, um sich selbst zu engagieren, um sich bei ein paar der Portaitierten die Kehle zu befeuchten oder aber, um sich eines der vorgestellten Projekte in Aktion anzusehen: Dieser kulinarische Kiezführer wird bestimmt zu einigen schönen Begegnungen in der Friedrichshainer Nachbarschaft führen.


Wer sich in 60 Rezepten und mit den 55 Engagierten durch Friedrichshain blättern will, kann das kreative Kochbuch beim Berliner Büchertisch für 16, 90 Euro kaufen oder online bestellen. Und wer nach unserer Rezension immer noch nicht sicher ist, ob sich der Kauf wirklich lohnt, für den gibt es hier
sogar einen Klick ins Buch.

Berliner Büchertisch, Wühlischstraße 40, 10245 Berlin

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