Hellersdorf – wo liegt das noch mal? Eine halbe Stunde vom Alexanderplatz, mit der S-Bahn Richtung Strausberg, umsteigen in Wuhletal, dann noch ein paar Stationen mit der U5. Eigentlich machbar. Viele junge Leute steigen aus, streben zur Alice-Salomon-Hochschule, die Sozialarbeiter und Erzieher ausbildet.
Drumherum liegt die zweitgrößte Großsiedlung der DDR. Baubeginn war 1980 noch unter dem Namen Kaulsdorf-Nord als Teil von Marzahn (die größte Großsiedlung). Zehn Jahre später standen 42.000 Wohnungen. Dazwischen, am 1. Juni 1986, wurde der Stadtteil Hellersdorf offiziell gegründet. Aus diesem Anlass fand am 3. und 4. Juni die Fachtagung 30 Jahre Wohnstadt Hellersdorf. 15 Jahre Kompetenzzentrum Großsiedlungen in der Alice Salomon Hochschule statt.
Nach der Wende zogen viele Hellersdorfer fort, Leerstand und Rückbau folgten. Hunderte Wohnungen, dutzende Kitas und Schulgebäude wurden abgerissen. Gleichzeitig steckte der Senat viel Geld aus dem Programm Stadtumbau Ost in die Aufwertung des Wohnumfeldes. Das habe zur Stabilisierung beigetragen, schreiben die Wissenschaftler Miriam Fritsche und Thilo Lang in dem Band Im Wandel beständig. Stadtumbau in Marzahn und Hellersdorf.
Allerdings: „Trotz aller baulichen Erfolge bleibt die weitere Entwicklung der Großsiedlungen schwierig. Aus eigener Kraft wird der Bezirk Marzahn-Hellersdorf seine wirtschaftlich schwierige Situation kaum meistern können“, urteilten die beiden Autoren 2007.
„Die Leute mögen ihr Wohnumfeld schon sehr“
Idee von QM ist, „mit den Ressourcen vor Ort – das sind die Bewohner und ihr Know-how, die Träger und Einrichtungen – zu arbeiten und ein Quartier mit investiven Maßnahmen zu entwickeln“, erklärt Quartiersmanagerin Karla Stierle. „Wir sind Vernetzer und Schnittstelle, fragen ‚Was haben wir? Was fehlt? Welche Lücken müssen wir füllen?'“.
So schwierig, wie es sich anhört, ist die Situation im Viertel offenbar nicht. „Wir haben mehrere Bewohnerbefragungen gemacht“, berichtet Quartiersmanagerin Irina Warkentin. „Die Leute mögen ihr Wohnumfeld schon sehr. Sie finden es gut, dass das Viertel mit dem ÖPNV gut erreichbar ist und dass es so grün ist.“ Durch die Abrisse entstanden viele Brachen, Freiflächen und Entwicklungsmöglichkeiten. Und der Leerstand sei inzwischen auch weg.
Eine der Lücken hat das Projekt JUWEL – Jugendliche wollen erfolgreich leben mit Leben gefüllt. Helle Oase heißt der Bürgergarten, wo die Ideen der Einwohner umgesetzt wurden: Hochbeete, Boulebahnen, eine Chillecke mit Hängematten und eine selbst gebaute Fläche für den Parcours-Sport. Der Verein Kids & Co hat dafür schon den Deutschen Naturschutzpreis bekommen. Nun ist er als eines von 18 Projekten aus ganz Deutschland für den Preis Soziale Stadt nominiert. „Das ist auch eine Aufgabe von Quartiersmanagern, auf solche Wettbewerbe aufmerksam zu machen oder bei der Antragsstellung für Fördertöpfe zu helfen“, sagt Karla Stierle.
Das Helleum ist lange im Voraus ausgebucht
Stolz sind sie und Irina Warkentin auf das Kinderforschungszentrum Helleum. Dafür wurde sogar ein Neubau geschaffen. Vor- und Grundschulkinder können sich hier naturwissenschaftlich-technisch bilden. Jetzt ist das Haus von Schulklassen ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht. Für Eltern und Kinder, die spontan vorbeikommen wollen, gibt es wöchentlich quartiersoffene Angebote.
Sicher, Hellersdorf ist und bleibt am Stadtrand. Dass es hier etwas Sehenswertes gibt, vermutet man nicht unbedingt. Gibt es aber: Nach mehrjähriger Pause fand am Freitag, 3. Juni wieder ein Classic Open Air im Zentrum Helle Mitte statt. Mit der Internationalen Gartenausstellung (IGA) ab April 2017 wird Hellersdorf im Focus bleiben. Zum Konzept der IGA gehört, den Bezirk noch stärker mit dem Wuhletal und dem Kienberg am Rand der Gärten der Welt – und damit mit Marzahn – zu verbinden. „Wir möchten, dass auch nach außen sichtbar ist, dass der Bezirk lebenswert ist“, sagt Karla Stierle. Der Wunsch wird wohl nicht unerhört bleiben.