Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, schallt es mal wieder durch Berlins Straßen. Doch bereits vor 58 Jahren, als Walter Ulbricht diese Lüge aussprach, gab es mit Sicherheit Berliner*innen, die im Hintergrund schon die Steine zusammensuchten. Heute könnte der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion zu diesen Pragmatikern gehören: Christian Gräff, so heißt dieser Politiker, fordert einen Zuzugstopp. Grund genug für uns, die Idee mal durchzuspielen. Wie können wir es gemeinsam schaffen, dass uns kein Zuziehwilliger mehr eine Wohnung wegschnappt? Kontrollieren wir die Zufahrten, damit nicht heimlich Möbel und anderer Hausrat in die Stadt gelangen? Oder werden Menschen, die sich neu in Berlin anmelden, direkt wieder vor die Stadtgrenze geführt? Machen wir uns nichts vor, da hilft eigentlich nur eine Mauer.
Mauer als Schutzwall
Diese Mauer würde auch ein anderes Problem lösen, das diese Woche Schlagzeilen machte: In Berlin tummeln sich zu viele Touristen. Ja, wer in Bezirken wie Mitte, Kreuzberg oder rund um das KaDeWe unterwegs ist … nein, das muss ich anders formulieren: Wer versucht, in Hot-Spot-Nähe ein Fortbewegungsmittel zu nutzen, wird von Ortsunkundigen, die ihren Blick stets nicht auf den Verkehr gerichtet haben, gnadenlos ausgebremst. Touristen hinterlassen eben nur Müll und Ärger, naja, und ein paar Millionen Euro, aber das lassen wir mal außen vor – stört nur die Argumentationskette. Folgerichtig schlagen die Linken vor, keine Werbung mehr für Berlin zu machen. Diesen totaaaaal durchdachten Vorschlag könnte man noch ordentlich untermauern: An geschlossenen Stadtgrenzen lassen sich nicht nur langfristige Berlin-Besucher*innen abweisen, sondern auch Tagestouristen, die trotzdem kommen, obwohl wir ihnen nicht mehr verraten, wie cool es hier ist.
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Bevor wir Berliner*innen also endgültig zu Gästen in unserer eigenen Stadt gemacht werden, wie es die Linken formulieren, weil die überlebenswichtigen Sachen wie Supermärkte, Wohnungen und Straßen überlaufen sind, muss etwas geschehen. Die 70 Millionen, die jährlich für Stadtwerbung ausgegeben werden, könnten schon mal in den Bau von Bildungsstätten gesteckt werden. Gleichzeitig könnte man das Senatskonzept aufgreifen, Touristen in die Außenbezirke zu befördern. Für die Durchsetzung wäre es wichtig, dass diese Touris Berlins Szeneviertel mit begrenzten Sondergenehmigungen besuchen können. Wir müssen ja verhindern, dass die spannende Gastro-Landschaft ausstirbt oder wir auf Provinzniveau sinken, weil hippe Designer, große Marken und angesagte Locations hinter der Mauer keine Perspektiven mehr sehen und nach Hamburg abwandern.
Neue Heimat Brandenburg
Nun, es gibt natürlich auch Politiker mit viiiieel mehr Weitsicht. Die planen, das Umland aufzuwerten. Leider gibt es da ja diese widerspenstigen Menschen in Brandenburg, die uns heimatvertriebenen Berliner*innen im Weg stehen. Schon 1996 lehnten die nämlich eine Zusammenlegung der Bundesländer Berlin und Brandenburg ab und auch heute sehen sie in Berlin nicht mehr als eine lange Shoppingmeile und einen durchgehend geöffneten Vergnügungspark. Die letzte Hoffnung, die brandenburgische Mehrheit bei einer neuen Volksabstimmung zu unterwandern, wäre noch mehr Mietflüchtlinge aus Berlin gezielt dort auszusetzen. Anschließend drucken wir Prospekte, in denen das Brandenburger Tor in Potsdam angepriesen wird und die regionale Küche in Neuruppin, Beelitz und Eberswalde bessere Kritiken erhält als alle nachhaltigen Restaurants in Berlin zusammen.
Schluss mit lustig
Gut, bleiben wir mal auf dem hauptstädtischen Boden der Tatsachen, von dem die Touristen nun immerhin den Müll aufheben. Kein Witz, sondern ein Tourenprogramm in Prenzlauer Berg… Berlin ist eine Metropole, die Menschen anlockt – 40.000 davon bleiben pro Jahr dauerhaft, Millionen andere kommen und gehen wieder. Den Wohnungsbau hier hat keiner von ihnen vernachlässigt, Immobilien zu Spekulationsobjekten gemacht, haben auch nur die wenigsten und selbst für die Nichtbeachtung, dass auf KiTa-Überfüllungen nach einigen Jahren überfüllte Schulen folgen, können wir keine Neu-Berlinerin und keinen Touristen verantwortlich machen. So erscheint der Mietendeckel, der bereits Hohn, Spott, Korrekturen und endlose Debatten mit sich brachte, ganz plötzlich als eine vernünftige Lösung. Vielleicht wollte die Politik übergreifend nur das: 3.754.418 Berliner hören auf zu meckern, weil der Mietendeckel der einzige Ansatz fast ohne Ausgrenzung und Begrenzung ist. Müssen nur noch Grundgesetzhüter, Immobilienhaie und Lobbyisten überzeugt werden.