Der Klassiker: Erst ist man jung und wild und treibt sich in den Szenebezirken rum, dann treten die eigene Familie und der Wunsch nach Ruhe auf den Plan. Wer sich jahrelang in den Kreisen der Spitzengastronomie bewegt, dem sei diese Ruhe gegönnt. So wie Norman Behr. Der war schon stellvertretender Restaurantchef im Crackers, hat im Friedrichshainer Schneeweiß und in der Kantine Kohlmann gearbeitet. Und jetzt Oberschöneweide für sich entdeckt. Seit einem Jahr wohnt er dort, in „dem geilsten Ort in Berlin“ – so Norman. Doch eines Morgens scheiterte er daran, tollen Kaffee nahe der eigenen Haustür zu finden. Also verwirklicht er seine Idee von einem richtig guten Café jetzt einfach selbst.
Ein Spitzengastronom in Oberschöneweide
„Geiler, selbstgemachter Kuchen, geiler Kaffee und coole Speisen, die es nicht überall gibt“, gehören laut Norman definitiv in ein Café, in dem man sich gern und immer wieder aufhält. Entsprechend stehen bei ihm täglich zwischen fünf und acht Kuchen zur Auswahl: verschiedene Käsekuchen, Rührkuchen – auch vegan – und mit dem Kirschmichel ein Kuchen gewordener, süßer Auflauf. Den kleinen Snack-Hunger stillen bisher Quiche und Normans Club Stullen: bestens belegtes Weißbrot, abwechselnd geschichtet zum Beispiel mit Käse, hausgemachter Rote-Bete-Creme und Coleslaw. Bald wird es auch Hot-Dogs geben; „einfach, aber special“, verspricht der Chef. Sollten sie so schmecken wie die Club Stullen, wird das richtig lecker! Im Sommer kommen zusätzlich Salate auf die Karte.
Außerdem kauft Norman möglichst viel in der direkten Umgebung ein und vermeidet Pappe, Plastik- und Papierverpackungen. Darum hat er auch ein eigenes Pfandsystem entwickelt: Alles, das man aus dem Café mitnehmen möchte, kommt in kleine oder große Weckgläser. Deckel drauf, fertig. Den Euro, den du für das Glas zahlt, bekommst du zurück, wenn es wieder bei Norman ankommt. Das nutzen zum Beispiel die Studenten und Dozenten von der HTW, die direkt gegenüber von dem neuen Café liegt. Aber nicht nur die Hippen von drüben lockt Norman in seinen Laden. „Ich möchte ja eigentlich für die Anwohner da sein“, sagt er. Und so fühlen sich bei ihm längst auch die jungen Familien aus der Nachbarschaft wohl oder die, die in der Gegend arbeiten und zum Lunch vorbeikommen.
Übrigens: Lange wurden die beiden Räume am Rathenauplatz von der Espressobar Lalü betrieben, deren Besitzer sich jetzt anderen Projekten widmen. Auch wer die Gemütlichkeit der Espressobar vermisst, sollte dem Mix aus Polstermöbeln, nackten Glühbirnen, Holztischen und Normans lässigem Charme auf jeden Fall eine Chance geben.