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Top 10: Berliner Nörgelthemen

Graffiti auf dem Teufelsberg: Mädchen steckt sich den Mittelfinger in de Mund
Dass der Teufelsberg vorerst gesperrt ist, ist auch ein Aufreger. Die Graffitis bleiben uns in bester Erinnerung.
Berliner jammern gern. Und weil das Wetter und die lieben Nachbarn einfach zu wenig hergeben, haben wir mal ein paar andere Top-Themen zusammengesucht, die zum Fluchen und Meckern einladen:

Verkehr

Die Vielfalt des Berliner Straßenverkehrs bietet enormes Aggressionspotential für alle. Meist beginnt das große Fluchen direkt, wenn du vor die Tür trittst: Ein Radfahrer, der unerlaubt den Bürgersteig nutzt, fährt dich fast um. Weiter geht es dann auf der Straße, wenn man als Radler über die Autofahrer nörgelt oder umgekehrt. Zwischendrin gibt es Skater und Fußgänger, die auch keinen Bock auf Rücksicht haben. Die Stadt liefert zuverlässig noch ein paar weitere Aufreger dazu: (unerwartete) Baustellen, Blitzerfallen, Schlaglöcher oder Gehwegschäden. Wer nicht genau weiß, wie laut und ausfällig man auf hauptstädtischen Straßen werden darf, kann bei den Berliner Taxifahrern Nachhilfe-Unterricht bekommen. Mit einem „Ey Atze, vafatz da!“ oder „Meene Fresse!“ können Anfänger ein paar Stunden im Verkehr überleben.

Hundekot

In Berlin ist die Kacke allerorten am Dampfen. Zwar sind sämtliche Hundebesitzer aufgefordert, die Häufchen ihrer Lieben aufzusammeln, aber sobald sie sich unbeobachtet fühlen, lassen sie die Tütchen stecken. Vor allen Dingen für Handysüchtige und Dauer-Instagramer ist es unmöglich, durch die Stadt zu kommen, ohne in eine tierische Hinterlassenschaft zu tretenOb Großgrün oder Kleingrün, ob mitten auf dem Gehweg oder in der Fahrrinne: haufenweise Hundekot. Es gibt zwar ein Hunde-Gesetz, das aber nur mit vermehrten Bußgeldern durchzusetzen wäre… Bis es soweit ist, regen wir uns einfach weiter über die „verdammte Scheiße“ auf.

Schloss und Humboldt-Forum

Manchmal gehen zwei Nörgellieferanten Hand in Hand wie das Schloss und das Humboldt-Forum. Erst hieß es, wir sind doch nicht bei Königs, wozu braucht man mitten in Berlin noch ein Schloss ? Es wurde gemotzt und gemosert, doch es half nichts. Gelder kamen zusammen, (ge)wichtige Stimmen auch und schon wurde aus dem No-Go ein Los-jetzt. Hinter den historisch gedenkenden Fassaden verschafft uns das Humboldt Forum schon neuen Unmut. Die bevorstehende (Dauer-)Ausstellung wird heftig kritisiert. Und was bisher nur Insider störte, dass zu wenig aus der umfassenden Sammlung gezeigt werden soll und die Kuratierung einen zu einseitigen (weißen) Blick auf das große (ethnologische) Ganze habe, könnte noch zu einem handfesten Berliner Motz-Thema heranwachsen. Um es mal schön provokant auszudrücken, ist diese Planung Rassismus auf studiertem Niveau: Lauter weiße Erben der Kolonialmächtigen stellen die von ihren Vorfahren (illegal) erbeuteten Schätze in Vitrinen aus… Mal sehen, was vom Ärger bleibt, wenn das Humboldt Forum im retro-barocken Antlitz Ende 2019 tatsächlich eröffnet.

S- und U-Bahn

Eigentlich müsste man in der Hauptstadt stets damit rechnen, dass das öffentliche Verkehrsmittel, das man sich für seinen Eigentransport ausgesucht hat, zu spät oder gar nicht fährt. Aber so ticken wir Berliner halt nicht: Wir hetzen zur S-Bahn, zum Bus oder zur U-Bahn und regen uns tierisch darüber auf, dass nichts davon funktioniert. Richtig lautstark wird diese Aufregung beim Schienenersatzverkehr. Und selbst die Ringbahn, die zuverlässig unzuverlässig ist, erfreut sich weiterhin einer großen Nachfrage und regem Gedränge. Wir haben eben ein Recht darauf, mit viel Ärger von A nach B zu kommen. Die Kampagne der BVG hat (trotzdem) Erfolg: Weil wir dich lieben geht selbstironisch in die Offensive und gewinnt damit tatsächlich Berliner Herzen. Und mal ehrlich: Wer will denn schon jeden Tag pünktlich und gut gelaunt bei der Arbeit, beim Date oder in der Freizeit ankommen?

Touristen

Natürlich bringen Touristen Geld in die Stadt, aber unsere Nerven belasten sie ganz schön. Egal ob es die Billig-Touristen sind, die nur das geilste Wochenende ihres Lebens hier verbringen wollen und von einem Club in den nächsten Fastfood-Laden stolpern, oder Bildungstouristen, die nicht nur nach dem Weg fragen, sondern auch gleich nach den historischen Hintergründen aller umliegenden Gebäude . Dann gibt es noch die touristischen Erinnerungsknipser, die für ihr Wahrzeichenfoto manchmal sogar den Verkehr behindern und damit auch in Punkt 1 unserer Nörgelliste hätten Erwähnung finden müssen… Genauso aufregen können wir uns über Schüler auf Klassenfahrt, Seniorenreisegruppen und Junggesellenabschiedstourer . Ob Berliner in fremden Städten alles richtig machen? Das steht doch hier echt nicht zur Debatte!

Ausgehmeilen und Events

Wer rund um den Boxhagener wohnt, muss schon selbst ein Party-Tier sein . Auch die Kreuzberger in Kotti-Nähe, die Neuköllner im Reuterkiez , die Prenzlberger und Mitte-Mitte-Bewohner müssen ständig die gute Laune anderer Menschen ertragen. Hier wird gefeiert, was das Zeug hält, von Montag bis Sonntag, von früh (naja, nicht immer) bis spät. Nebenbei stellen die Ausgeher ihre leer getrunkenen Flaschen überall ab, bepinkeln Bäume, Sträucher und Hauswände, erleichtern sich auch mal kopfüber oder schmieren ein Ich-war-da auf Bänke und Türrahmen. Nichts gegen gutes Amüsement, aber der Dreck geht wirklich zu weit. Für echte Intoleranz sorgt auch die Dauersperrung am Brandenburger Tor wegen Großveranstaltungen wie dem massentauglichen Public Viewing, elitären Fashion-Events oder Sonderkonzerten. Und dann zertrampeln die Spaßbürger auch noch den Tiergarten oder andere Orte, die für Festivals missbraucht werden. Und jetzt komm uns nicht mit: Des einen Freud, ist des anderen Leid… Denn wenn wir mal feiern gehen wollen, treffen wir auf gestresste Türsteher, genervtes Tresenpersonal und Dorfdeppen, die uns auf die Füße treten. Jeht it noch?

A post shared by Jerome Boateng (@jeromeboateng) on Jul 18, 2014 at 9:25am PDT

Wahrzeichen

Die einen verkommen schon, während die anderen nicht gebaut werden. Wenn das nichts ist für den pöbelnden Small Talk in Berlin! Egal ob Einheitsbrücke oder BER (dazu folgt gleich ein Extra-Kapitel) ,Bierpinsel oder ICC, Alexanderplatz oder Tegel: Die Stadt wäre so gern in Bewegung, aber nichts tut sich. Das Einheitsdenkmal ist seit 2007 im Gespräch, seit 2011 als preisgekrönte Einheitsbrücke. Doch von der Wippe , wie das schaukelnde Ding schon heute heißt, ist noch weniger zu sehen als vom BER, der ja bekanntlich 2011 erstmals eröffnet werden sollte. Bierpinsel, ICC und Teufelsberg verfallen derweil, obwohl die Berliner sie ins Herz geschlossen haben. Und wie nun der Alex am Alex noch Alex bleiben soll bei so viel Gewalt und welche Aussichten der kuschelige Tegel-Flughafen noch hat… ach, ach, es nimmt keine Ende mit dem Jammer und den schmerzenden Fragen. Und in den hauptstädtischen Lästerrunden gibt es sicher auch noch kleinkiezige Aufreger, die wir hier gar nicht unterkriegen, die du uns aber gern schreiben darfst.

BER

Dann kommen wir doch gleich auf den BER zu sprechen, dem Flughafen der Zukunft ohne Gegenwart. Dieses weltstädtische Großprojekt sollte erstmals im Oktober 2011 eröffnen, aber weil im Sommer 2010 schon klar war, dass das nicht zu halten ist, verschob man die Feierlichkeiten auf den Sommer 2012. Von da verlegte man sich und die Problemlösungen rund um den BER auf März 2013, dann auf Oktober 2013, um dann zu überlegen, ob man es vielleicht bis 2015 schaffen könnte, alle Mängel und Fehler zu beseitigen. Auf einen fast konkreten Termin ließ man sich erst 2014 wieder festnageln: zwischen Juni und September 2017. Anfang 2017 hieß es dann, dass es doch 2018 werden würde, und Ende 2017 erfuhren wir bereits, dass eine Eröffnung vor 2019 gar nicht möglich sei. Im Moment spekuliert man, ob aus dem angestrebten Eröffnungsjahr 2020 nicht doch 2021 werden könnte. Ein Aufatmen geht somit durch Berlins Stammtischrunden , denn kaum ein anderes Thema zeigt sich als so motztauglich wie der BER. Hier geht es schließlich um viel verschleudertes Geld (über 7 Milliarden Euro), persönliche Bereicherungen, menschliches Versagen, Vertuschungen, Machtspielchen und verwinkelte Politik auf allen Ebenen.

Müll & Ratten

Müll ist immer ein Hass-Thema. Im eigenen Hinterhof fängt es schon an, dass die lieben Nachbarn den Müll nicht trennen oder ihn grundsätzlich neben den Mülltonnen lagern. Fortsetzung findet das Gemaule auf dem Gehweg, wenn man gerade noch den Resten eines Döners ausweichen konnte, um sich dann im Verpackungsmaterial eines anderen Fastfood-Anbieters zu verfangen. Außerdem liegen überall Kondome, Kaugummis und Kippen rum, die Hauseinfahrten und Straßenbegrünungen werden mit Sperrmüll verstellt, Schrottautos parken ohne Nummernschilder am Straßenrand und kaputte Fahrräder säumen Radwege und Laternen. Im Winter finden sich zusätzlich Handschuleichen ein, im Sommer Regenschirmskelette. Freude empfinden über das stete Vermüllungsproblem nur die Ratten in der Stadt,die sich prächtig ernähren und vermehren. Vor allem auch dank den Berlinern, die immer noch nicht wissen, dass man seine Essensreste nicht in die Toilette spülen soll und dass offene Türen zum Hof von den gut 2,4 Millionen Nagern als Einladung verstanden wird, sich auch im Haus umzusehen… Da hilft kein Motzen, wir Hauptstädter machen das aber trotzdem.

Mieten und Löhne

Die  Mieten steigen, die Löhne nicht. Aber auch unabhängig voneinander bieten die beiden Themen enormes Wutpotential. Galt Berlin immer als Zufluchtsort für Künstler, Querdenker und Neugründer, ist es nun zu einer teuren Metropole verkommen , in der sich vor allem Investoren, Rich Kids aus dem Westen, Start-ups und Wirtschaftsflüchtlinge aus London, Paris und New York wohlfühlen. Wer glaubt, dass uns Mietsteigerungen um fast 50 Prozent im letzten Jahrzehnt nichts ausmachen würden, wenn wir nur mehr verdienen könnten, der irrt. Ungerechtigkeiten und Vereinnahmungen unserer Stadt nehmen wir nicht hin. Doch mehr verdienen könnten wir wirklich mal: Denn die Lebenshaltungskosten passen sich nach und nach den West-Standards an, unsere Löhne bleiben im Vergleich aber unter NiveauStatistiken brauchen wir dafür nicht, nur eine klare Haltung: Du kannst mir ma anne Pupe schmatzen!Allerdings scheint unser Fluchen kein Gehör bei denen zu finden, die etwas ändern könnten.

Humboldt Forum, Unter den Linden 3, 10117 Berlin

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