Wie viel Geschichte kann in einem Sandwich stecken? Verdammt viel, wenn es um ein Bánh mì geht. Bei diesem vietnamesischen Klassiker handelt sich nicht einfach nur um ein belegtes Brot: Bánh mì bringt das kulinarische Erbe aus der französischen Kolonialzeit Vietnams zum Ausdruck. So bitter die Zeit für die heimische Bevölkerung auch war, bereitet das Bánh mì heute allen Menschen Freude. Ob zum Frühstück, Lunch oder zu später Stunde: In Vietnam ist das besondere Sandwich Kult und aus dem Alltag der Mehrheit nicht mehr wegzudenken.
Französisch ist dabei unübersehbar das knusprige Baguette, wobei die Konsistenz des Teigs meist elastischer und das Brot etwas breiter ist als das Original aus Frankreich. Auch die Festtagsdelikatesse Paté – eine Variante der Leberwurst – und die Mayonnaise, die statt Butter auf das Bánh mì geschmiert wird, sind typisch französisch. Für den vietnamesischen Einfluss stehen süßsauer eingelegtes Gemüse wie Karotten und Winterrettich, aber auch Koriander und frische Chilischoten. Natürlich variieren auch Zubereitungsweisen und Zutaten von Region zu Region, denn das Bánh mì hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert und regionalen Bedingungen angepasst.
„Wenn wir Gäste aus Viertnam haben, merken sie an der Zubereitung sofort, dass ich aus Südvietnam stamme“, sagt Sing, Co-Inhaberin und Köchin im À Deux. Im Süden seien die Gerichte etwas süßer, aber auch schärfer und reich an frischem Gemüse und Kräutern. „Wir haben uns komplett auf Bánh mì spezialisiert“, fügt die gebürtige Stuttgarterin und zweite Co-Inhaberin Zia hinzu, „mit diesem klaren Fokus können wir unseren Gästen ein qualitativ hochwertiges Produkt bieten, in dem ganz viel Liebe und Mühe steckt“. Die beiden Freundinnen und Geschäftspartnerinnen haben bereits Gastro-Erfahrung gesammelt. Das im Juni eröffnete À Deux Bánh Mì ist nun ihr erster gemeinsamer Laden, in dem sie sich frei entfalten können. Zias Eltern sind aus Hong-Kong, aber auch sie ist viel durch Vietnam gereist und hat die Liebe zum Bánh mì für sich entdeckt.
Der kleine Laden liegt nur ein paar Schritte vom trubeligen Rosenthaler Platz entfernt. Die Welt in der Joachimstraße scheint aber eine ganz andere zu sein: Schmale Straßen, prächtige Altbauten, gemütliche Cafés und coole Concept Stores: Die Gegend ist kiezig, familiär und ruhig. Die Nachbar*innen grüßen, wenn sie vorbeilaufen und vor allem mittags, wenn auf der kleinen Terrasse vor dem Laden die Sonne scheint, ist viel los. Das Interieur ist schlicht gehalten: grauer Betonboden, schwarze Bistrotische, mintgrüne Stühle und ein langer hölzerner Tresen mit einer Vitrine, in der die feinen Zutaten für das Bánh mì liegen. Sings grüner Daumen zeigt sich durch die vielen Pflanzen, die überall im Laden verteilt stehen. In Zukunft plant Sing neben den Bánh mì auch Pflanzentöpfe zu verkaufen.
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Im À Deux Bánh Mì stehen drei Sorten Bánh mì zur Auswahl – Schwein, Geflügel, vegan – und wir probieren gleich alle drei. Wir starten mit dem ersten Baguette, das gleich mit gegrilltem Char Siu Duroc-Schwein, Paté, Mayonnaise und vietnamesischem Wurstaufschnitt überzeugt. Das eingelegte Gemüse ist knackig, die ebenfalls eingelegten Chilis verleihen dem Ganzen einen schönen Kick, während der Koriander und die Gurke für Frische sorgen. Die Variation mit Maishähnchen ist äußerst zart, dabei kräftig im Geschmack dank starker Aromatik. Die hausgemachte Mayonnaise verleiht beiden Baguettes eine angenehme Vollmundigkeit.
Die vegane Variante lässt Fleisch nicht missen. Hier kommt kein Fleischersatz aus dem Supermarkt aufs Brot: Die Liebe steckt im kleinsten Detail. Erst wird frischer Tofu gekocht, dann mit Senf, Agave und Öl mariniert. Vor allem der Mix aus Bohnen, Pilzen und Erdnussbutter begeistert nicht nur Veganer, sondern auch Menschen, die eigentlich keinen Fleischgenuss auslassen. Mit 10,50 Euro liegt das Bánh mì im Vergleich zur Snack-Konkurrenz im höheren Preissegment. Da sich hier aber auch die Qualität der Zutaten deutlich vom Durchschnitt abhebt und es sich bei diesem Bánh mì um eine vollwertige Mahlzeit handelt, ist der Preis absolut gerechtfertigt. Es steckt viel Mühe in den Gerichten, alles ist hausgemacht und die Baguettes werden immer frisch belegt. Zudem bekommst du hier eine große Portion Gastfreundschaft oben drauf. Zia bringt das Bánh mì auch gern mal in die gegenüberliegende Bar oder zum Park, wenn genug Zeit ist. Wir kommen auf jeden Fall gern wieder und hoffen, bald dann eine der schönen Pflanzentöpfe mitnehmen zu dürfen …