Die harmlos wirkenden schwarz-weißen Fotografien von Jörg Müller zeigen keine nachgestellten Schrecken, keine Szenen der Gewalt oder Blutflecke. Es sind menschenleere Fotos von Orten, die jedem Berliner vertraut sind: Der S-Bahnhof Südkreuz, den Alice-Salomon-Platz in Hellersdorf oder die Schienen der Tram M10 in Prenzlauer Berg. Daneben ein Datum, der Bezirk und eine kurze Mitteilung darüber, was an dem Ort passiert ist. Außerdem gibt es eine Auflistung der Quellen, die über das Geschehene berichtet haben.
Denn eins verbindet all die Orte, die Jörn Müller fotografiert hat: Es sind Tatorte. An ihnen wurden Menschen aufgrund ihrer Herkunft beleidigt, meist auch angegriffen und verletzt. Seit dem Jahr 2003 werden die Orte dokumentiert und seit 2005 in einer Ausstellung präsentiert. Die wird jährlich neu aufgelegt. Weil es in jedem Jahr neue Tatorte gibt.
Die Ausstellung ist ein Projekt der Opferberatungsstelle ReachOut, die die Texte liefert, die neben Müllers Fotografien stehen. Ihr Ziel ist es, die bekannten Plätze auch als Orte traumatischer Erlebnisse darzustellen und somit die Betrachter für die Perspektive der Opfer zu sensibilisieren. Außerdem macht sie klar, dass Verbrechen an unspektakulären, eben an alltäglichen Orten geschehen.
Angriffe auf die Ausstellung
Auch im letzten Jahr war die Fotoausstellung zu sehen, da gastierte sie im Rathaus Tempelhof. Insgesamt wurden damals 13 der Fototafeln gestohlen, täglich wurde das Informationsmaterial zur Ausstellung entwendet und die Rahmen der Tafeln beschriftet. „Antifa ist keine verlässliche Quelle“, stand zum Beispiel unter einem Foto. Die Initiatoren der Ausstellung hat das in ihrer Arbeit bestärkt. „Wir sind entsetzt darüber, dass schon allein die bloße Dokumentation rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt offensichtlich eine solche Provokation darstellt und ein so aggressives Verhalten auslösen kann. Das bestätigt uns in der Notwendigkeit unserer Arbeit“, erklärte Sabine Seyb von ReachOut, die die Ausstellung auch in diesem Jahr organisiert.
Damals ermittelte der Staatsschutz. Was man herausgefunden hat, wissen wir nicht. Wir hoffen allerdings, dass die Ausstellung in diesem Jahr bis zu ihrem letzten Tag im vollen Umfang angeschaut werden kann.
Die Ausstellung „Berliner Tatorte“ ist vom 12. Januar bis zum 26. Februar im zweiten Stock des Rathauses Charlottenburg zu sehen. Sie ist von Montag bis Freitag jeweils von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.