Um dem Winterblues entgegen zu wirken, empfehle ich dringend, eine Kuh zu kuscheln. Klingt komisch, ist aber so. Ich habe selbst erlebt, was es für ein schönes Gefühl ist, wenn sich einem so ein wuscheliger großer Kopf auf die Schulter legt. Der Duft des Fells wirkt wie eine Aromatherapie und die feuchte Nase möchte man, zumindest ich, küssen und küssen und küssen. Die Kuh, die gerne kuschelt, heißt Muise und lebt auf dem Gut Hesterberg in Neuruppin, etwa eine Stunde von Berlin entfernt. Muises bester Freund heißt Kurt und ist ein Schafbock. Wer mit Muise kuschelt, muss auch Kurt kraulen. Kurt liebt Streicheleinheiten und fordert sie auch ein, indem er sich mit den Vorderbeinchen auf den Weidezaun stellt und seinen Hals streckt, damit man auch gut rankommt.
Die Idylle auf dem Gut Hesterberg ist fast filmreif. Allein die Allee zum Haupthaus wirkt wie der Weg zur Dallas-Ranch. Weiße Zäune, grüne Wiesen, links und rechts Rinder und Pferde, die mehr oder weniger interessiert dabei zuschauen, wie ich langsam und über knirschenden Kies an ihnen vorbeifahre. Auf dem Gut Hesterberg gibt es eine Gaststube mit Hofladen, in dem unter anderem Eier, Wurst, Schinken und Steaks verkauft werden. Dazu am Tisch zünftiges Bier und eine deftige Karte mit wenigen Gerichten, was für mich ein Zeichen dafür ist, dass hier wirklich frische Speisen auf den Tisch kommen. Ich kann heute entscheiden zwischen Rindersaftgulasch, Hirschbraten, Flank-Steak, Rib-Eye und Hirschrücken im Mohnmantel.
Welches Fleisch auch Veganer gerne mal essen
Ich esse seit dem 1. Januar vegan, das ist eine Challenge, ein Abenteuer, und ich bereue nicht, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Ich habe nichts zu verlieren, keine Wette zu gewinnen und möchte einfach nur meine Ernährung überprüfen und etwas Neues erfahren. Ich habe viel gelernt in den letzten Wochen und bin glücklich darüber. Die Diskussionen, die ich seitdem führe, sind absurd. „Das ist ungesund, alle Veganer sind blass und frustriert, das kann ja für den Körper nicht gut sein. Und was ist mit Protein?? Und Vitamin B 12??“ Ich möchte nicht mehr diskutieren. Ich möchte nicht erklären, verteidigen, missionieren – jeder kann machen, was er will. Ich habe nun mal diese Form der Ernährung gewählt und kann damit fantastisch leben. Aber ich bin, wie in allem, nicht päpstlicher als der Papst. War ich nie, und ich mag es, weil ich Dogmen nicht leiden kann und mich schon gar nicht kasteien möchte. Man kann es inkonsequent nennen. Ich nenne es flexibel und frei.
Das ist der Grund, warum ich hier über einen Schlachthof schreibe. Und übers Fleischessen. Denn wenn schon Fleisch, dann bitte nicht aus der Massentierhaltung. Wenn schon Eier, dann bitte von wirklich glücklichen Hühnern. Wenn schon Tiere essen, dann bitte verstehen, dass es Lebewesen sind und nicht automatisch abgepackte, runde, fettige Scheiben aus dem Kühlregal für 0,99 Cent. Das – und ich glaube, das ist nicht belehrend, sondern einfach wahr – kann keine Qualität sein. Weder für den Menschen noch für die Umwelt. Über das Leid der Tiere müssen wir hier nicht sprechen.
Das Gut Hesterberg ist ein Familienbetrieb, ich bin allen Mitgliedern sehr verbunden und freue mich jedes Mal auf die wunderbaren Menschen, die nicht nur mich, sondern jeden Gast freundlich in Empfang nehmen und jede Frage geduldig und ausführlich beantworten. Vier Generationen arbeiten und leben hier, 90 Mitarbeiter kümmern sich um Gäste und die tausend Tiere auf dem Hof. Unter anderem um Galloway Rinder, Gänse, Pferde und Hühner.
Tierliebe und Fleischgenuss schließen sich nicht aus
Die Hühner! Das sind so zauberhafte Wesen, dass mir das Herz aufgeht. Sie bewohnen ein riesiges Freilaufgelände mit einem Zaun drum herum, den die Hühner sehr gerne ignorieren, weil sie so gerne auf dem Hof spazieren gehen wollen und auch nicht unbedingt nach Hause möchten, wenn es dunkel wird. Man muss sie regelrecht bitten. Ich stelle mich an den Zaun und mindestens dreißig Hühner rennen auf mich zu, um zu checken, wer sie besucht. Ich mache Fotos und kleine Videos und sie schauen neugierig in die Kamera und picken aufs Display. Ich reiße mich nach etwa fünfzehn Minuten von meinen neuen Freundinnen los und besuche die schönen Pferde auf der anderen Seite der Auffahrt, die sofort auf mich zulaufen und sich streicheln lassen.
Es geht den Tieren gut. Dass die freundlichen Rinder irgendwann aufgegessen werden, finden diese vermutlich, wenn es soweit ist, nicht sehr schön. Aber ja, ich bin der Meinung, wenn wir Tiere essen, dann sollen sie auf Weiden leben, entscheiden dürfen, wo sie mit wem stehen, Freundschaften schließen und frische Luft atmen.
Muise wird übrigens niemals auf dem Teller landen. Sie bleibt die flauschige Kuschelkuh, und immer, wenn ich eine kleine Einheit Liebe brauche, die wirklich besonders ist, werde ich hierher kommen und ihr einen großen Kuss auf ihre nasse Nase geben.