Margarete (Maria Dragus) hat eigentlich einen festen Plan: Polizistin werden und damit anderen Menschen helfen. Doch es kommt alles anders. Vor ihrem Schwarm Theo verpatzt sie so richtig den Polizeisport-Test, ihr wird der Parkplatz vor der Nase weggeklaut und drei Jungs bedrängen sie in der U-Bahn. Aber da taucht ständig dieses Mädchen mit den kurzen, braunen Haaren auf und rettet sie. Es ist die coole Tiger (Ella Rumpf), die genau weiß, wie man mit einem Baseballschläger umgeht. Die unangepasste Frau lebt in einem Bus und verdient ihren Lebensunterhalt als falsche Parkwächterin.
Kurzerhand benennt sie Margarete zu Vanilla um und gibt ihr folgenden Ratschlag: „Höflichkeit ist auch eine Form von Gewalt, Gewalt gegen dich selbst.“ Dieser Spruch hat eine radikale Wirkung. Denn obwohl Vanilla eine Ausbildung beim Sicherheitsdienst anfängt, hat sie längst mehr Lust mit Tiger Leute abzuziehen. Dafür kommen die Security-Uniformen wie gerufen und es wird sich genommen, was man will. Dieses neue Gefühl von Macht steigert vor allem bei Vanilla die Gewaltbereitschaft. Frühere Werte sind vergessen – alles, was zählt, ist die Grenzüberschreitung für ein bisschen Spaß. Doch wohin soll das alles führen?
Regisseur Jakob Lass (Love Steaks) präsentiert mit Tiger Girl ein rasantes Fäuste-Fest, bei dem die Kampfszenen mit lautem Westernsound unterlegt werden. Damit bricht er das vor allem männlich geprägte Genre des Westerns auf und gibt dem Film auch noch eine rotzfreche Attitüde, wie beim Comic-Kracher Kick-Ass. Übrigens: Die Berliner Elektro-Pop-Band Großstadtgeflüster ist auch mit von der Partie, nämlich bei dem „Auf-die-Fresse-Soundtrack“ des Films. Neben diesem Sound gibt es im Film schnelle Schnitte sowie freche und eindringliche Charaktere wie den Ohrfeigen-Mann (Robert Gwisdek). Als er ruhig und gelassen Vanilla vorschlägt, sie dürfe ihn schlagen, wenn er auch zurückschlagen darf, wird das vorlaute Mädchen plötzlich ganz stumm.
Tiger Girl: Dialoge sind improvisiert
Jakob Lass drehte mit Tiger Girl wieder ein Film im Mumblecore Genre. Darin sind die Dialoge größtenteils improvisiert, das Produktionsbudget ist klein, es spielen meist junge Menschen die Hauptcharaktere und die Kamera ist verwackelt. Gerade das soll realitätsnahe Interaktionen zwischen den Figuren erzeugen. Das funktioniert in Tiger Girl gut, allerdings sollte man es bei ein paar Szenen mit der Logik nicht zu genau nehmen.
Fazit: In Tiger Girl werden Konventionen einfach mal ad acta gelegt und das ist erfrischend im deutschen Film. Die Mädchen Tiger und Vanilla weigern sich, brav zu sein und Regeln zu befolgen. Werden sie von Männern wie Objekte behandelt, dann rächen sie sich sofort an ihrem männlichen Gegenüber mit dem gleichen Verhalten. Wie ein Teenager bei den eigenen Eltern testen die Mädchen, wie weit sie gehen können. Dann kommt allerdings ein Wendepunkt. Es wird nur noch zugeschlagen, um des Zuschlagens willen. Die Gewaltausbrüche werden bis zum Exzess geführt, der vor allem die Mädchen selbst verletzt. Der Film zeichnet also auch ein Gesellschaftsbild, in dem die stetige Suche nach Macht auch mit der eigenen Hilflosigkeit endet.
Wenn du den Film auf der Berlinale nicht mehr erwischst: der offizielle Kinostart ist der 6. April 2017.