Berliner Nachbarschaftsprojekt

Auf einen S(ch)nack im Treppenhaus

Sogar frisch Gebackenes bringt das Team von "Auf halber Treppe" mit. Schließlich lässt es sich bei einem Stück Kuchen besser mit den Nachbarn plaudern.
Sogar frisch Gebackenes bringt das Team von "Auf halber Treppe" mit. Schließlich lässt es sich bei einem Stück Kuchen besser mit den Nachbarn plaudern. Zur Foto-Galerie
Bötzowkiez - Das Team von "Auf halber Treppe" veranstaltet regelmäßig "Treppenhauscafés" und kommt dafür mit Sack und Pack überall dorthin, wo Berliner gern ihre Nachbarn kennenlernen möchten. Damit will das Sozialprojekt gegen die Anonymität in der Großstadt vorgehen. QIEZ-Redakteurin Sophie hat das Ganze mal ausgetestet und das Team zu sich in den Prenzlauer Berg eingeladen. Ein Erlebnisbericht.

Ich staune nicht schlecht, als Marie von Auf halber Treppe an einem Sonntagnachmittag bei mir klingelt und eine komplette Café-Ausstattung mitbringt. Kaffee, Tee, Tassen, Kannen, Teller, Zucker, Milch, Sitzkissen, Hocker, ein kleines Tischchen und sogar selbst gebackener Kuchen und kleine LED-Kerzen für eine gemütliche Stimmung sind mit dabei. Eigentlich muss ich gar nichts machen, außer meine Küche zur Verfügung stellen. Marie, 30 Jahre und seit anderthalb Jahren in Berlin, nimmt mich quasi „an die Hand“ und erklärt mir genau, wie das Treppenhauscafé abläuft. Zahlen muss ich für ihre Mühe nichts, denn genau wie ihre derzeit acht Kollegen ist sie ehrenamtlich in Berlins Hinterhöfen und Treppenhäusern unterwegs. Auch Kaffee, Kuchen und Tee sind umsonst – alles wird für den gemeinnützigen Zweck der Nachbarschaftsvernetzung gesponsert.

Einmal durch alle Stockwerke

Zusammen suchen wir erst einmal ein geeignetes Plätzchen für den geplanten Kaffeeklatsch. Es regnet. Der Hinterhof scheidet leider aus. „Macht nix“, sagt Marie, „wir sind es schließlich gewohnt, die Cafés in den Treppenhäusern zu haben!“ So wird es dann auch der Treppenabsatz direkt über meiner Wohnung. Kurze Wege aus und in die Küche sind schließlich immer von Vorteil. Zu zweit ist alles ratzfatz aufgebaut. Kurz vor Beginn um 15 Uhr läuft Marie mit mir durch alle Stockwerke von Vorder-, Hinterhaus und Seitenflügel, um bei meinen Nachbarn zu klingeln und sie noch einmal ganz persönlich einzuladen. Zwei Wochen zuvor hatte ich schon ein Plakat in den Hausflur und Einladungsflyer an die Türklinken der Nachbarswohnungen gehängt – alles von Auf halber Treppe zur Verfügung gestellt.

Beisammensein im Treppenhaus. (c) S. Maaß

Die Einladungsaktion trägt Früchte. Immerhin neun Personen finden sich im Hinterhaus zusammen. Und ich hatte schon befürchtet, am Ende vielleicht allein mit Marie da zu sitzen. Dass das bisher noch nicht vorgekommen sei, hatte mir bei einem früheren Treffen bei der Talkshow Das Kiezsofa bereits Karoline Spring, eine der Initiatorinnen von Auf halber Treppe, versichert. Aber wenn es um meine eigenen Nachbarn geht, von denen mir viele vorher noch nicht einmal im Vorbeigehen begegnet sind, dann ist die Aufregung doch ganz schön groß! So bin ich dankbar, dass Marie da ist, fleißig Kaffee und Kuchen an alle verteilt und uns wirklich leicht und lustig durch den Nachmittag geleitet.

Reichlich Gesprächsstoff

Die angehende Chirurgin ist bei Auf halber Treppe für digitale Medien und Public Relations zuständig. „Ich finde, es ist eine schöne Art und Weise, Berlin und seine Berliner kennenzulernen!“, erklärt Marie uns ihr ehrenamtliches Engagement. Rund alle sechs Wochen begleite sie ein Treppenhauscafé – meist mit einem zweiten Teammitglied. Ihr Kollege sei heute nur leider wegen Krankheit ausgefallen. Aber es läuft auch so alles prima: Von den Lichtverhältnissen in unseren Wohnungen über das Ringeltaubenpärchen im Hinterhof bis hin zu Lärmproblemen – an Gesprächsstoff fehlt es uns auf jeden Fall nicht!

Zudem erfahre ich auf diese Weise, dass einer meiner Nachbarn ein Automechaniker, eine andere Veranstaltungstechnikerin ist und wiederum eine andere in einer Kreuzberger Digitalagentur arbeitet. Auch das ein oder andere Problem mit der Hausverwaltung wird besprochen und so fühlen wir uns gleich nicht mehr so allein mit dem, was uns als Mieter in Prenzlauer Berg tagein, tagaus beschäftigt. Die Stimmung ist super und nach zweieinhalb Stunden packen alle mit an und helfen Marie, die Sachen wieder zum Auto zu tragen. Wir alle sind uns einig: Das nächste Treffen soll bald folgen – dann bei hoffentlich schönem Wetter zum Grillen im Hinterhof!

Habt ihr Interesse bekommen, das Team von Auf halber Treppe auch zu euch nach Hause einzuladen? Dann hinterlasst ihnen doch einfach auf ihrer Homepage eine Botschaft oder informiert euch auf Facebook über weitere Aktionen des Nachbarschaftsprojekts.

„Ich bin wirklich beeindruckt von der Effizienz, mit der das Treppenhauscafé bei mir durchgeführt wurde. Am Ende des Tages war sogar meine Küche wieder blitzeblank! Und am nächsten Tag habe ich doch tatsächlich am anderen Ende der Stadt eine meiner Nachbarinnen auf dem Bahnsteig getroffen. Wäre das Treppenhauscafé nicht gewesen, hätten wir uns gar nicht erkannt. So hatten wir nun aber einen sehr schönen, gemeinsamen Heimweg!“

Foto Galerie

Auf einen S(ch)nack im Treppenhaus, Danziger Straße, Berlin

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