Karl Kunger war ein Berliner Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Ihm zu Ehren wurde in Alt-Treptow eine Straße umbenannt. Mittlerweile heißt die ganze Gegend zwischen Elsen- und Lohmühlenstraße Kunger-Kiez. Die Journalistin und Buchautorin Susanne Lang lebt seit 2007 in der Gegend, die noch nicht so homogen wie etwa Teile von Prenzlauer Berg oder Mitte ist. „Was auch gut so ist“, findet sie. Gelandet sei sie in Alt-Treptow eher zufällig. Eigentlich wollte sie mit ihrem Mann nach Kreuzberg ziehen. „Wir kannten die Gegend gar nicht und sind durch die Umkreissuche auf eine 3-Zimmer-Wohnung im Kunger-Kiez gestoßen“, erinnert sie sich.

Gegen das Bauprojekt am Ende der Karl-Kunger-Straße gab es viel Protest.
Damals war die Gegend noch nicht so stark besiedelt und auch was Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten angeht, war hier weniger viel los. Es gab einen Bäcker am Eck und dort, wo heute ein großer Neubaukomplex steht, befand sich früher eine Autoschrauberwerkstatt und ein kleiner Wochenmarkt. An die Farbbeutelattacken gegen das Baugruppen-Projekt kann sich Susanne Lang noch sehr gut erinnern. Die Angriffe der Gentrifizierungsgegner seien einerseits nachvollziehbar, anderseits sei es verständlich, dass man hier wohnen wolle. Vor allem immer mehr Familien zieht es nach Alt-Treptow.Foto: QIEZ - ©Susanna Gotsch
Pendeln zwischen Treptow, Kreuzberg und Neukölln
Sie selbst möchte am liebsten nicht mehr weg aus ihrem Kiez, schon gar nicht aus Berlin. Mit größeren Wohnungen allerdings sähe es schlecht aus. Und auch, was die Mieten angeht: da hätten sich die Preise in den vergangenen Jahren stark erhöht. „Eigentlich dürften wir aus unserer Wohnung gar nicht ausziehen. Der Preis ist noch ganz ok. Aber wer weiß, wie lange sich unsere beiden Kinder noch ein Zimmer teilen können“, lächelt sie und schaut dabei ihren fünf Monate alten Sohn an, den sie zum Spaziergang mitgebracht hat. Was sie an der Gegend so toll finde? Hier habe man noch das Gefühl, raus aus der Stadt zu sein.
Im Moment sei sie mit ihrer Familie zwar mehr in Neukölln und Kreuzberg unterwegs, da sich dort zum einen die Kita ihrer Tochter befindet, aber auch der Freunde wegen. Und wo wir schon mal bei den Freunden sind: Die seien ein weiterer Grund, Berlin treu zu bleiben. Nachdem ihr Mann vor zwei Jahren einen Job in Hamburg angeboten bekommen hatte, fiel die Entscheidung zugunsten der Spreemetropole aus. Langs Mann pendelt seither zwischen beiden Städten und die 37-Jährige schrieb ihr erstes Buch – Ziemlich feste Freunde – dessen roter Faden sich immer wieder um die Frage dreht, in welcher Stadt wir gerne leben wollen. Sie vergleicht darin beide Städte – Hamburg und Berlin – und am Ende bekommt Berlin mehr Punkte. Und ganz oben stehen die Freunde.
Genau dieser Wandel, der sich vollzieht, wenn ein Umzug ansteht oder wenn Kinder geboren werden, ist u.a. ein Thema in ihrem Buch. Alte Freundschaften gehen auseinander, neue entstehen. „Mit den Kindern hat sich unser Freundeskreis sehr verändert“, erzählt die 37-Jährige. Nicht nur Kontakte ändern sich, sondern auch Aktivitäten. So gesehen sei die Wahl des Kiezes eine gute gewesen.
Familienfreundliche Wohngehend

Das Il Songo auf der Karl-Kunger-Straße gehört zu Susanne Langs Lieblingscafes.
Auch wenn der Kunger-Kiez eher eine Wohngegend sei, finden sich hier einige Angebote für Familien mit Kindern. „Unsere Tochter liebt das Café Provinz. Dort gibt es neben leckerem Rührei immer die aktuellsten Mickey-Maus-Hefte. Am Wochenende sind wir also öfter im Mickey-Maus-Cafe“. Oder bei Conny im Il Sogno, einem kleinen italienischen Café, in dem es neben Frühstück auch günstige und sehr schmackhafte Mittagsgerichte gibt. Empfehlenswert für Eltern und ihren Nachwuchs sei außerdem der Lohmühlen-Spielplatz, der schön schattig direkt am Wasser liege, der Schlesische Busch – ein kleiner Park direkt an der Puschkinallee -, der Kinderbauernhof im Görlitzer Park oder der Biergarten Burg am See. Aber der gehört ja schon zu Kreuzberg. Foto: QIEZ - ©Susanna Gotsch
Kulinarisch betrachtet hat der Kunger Kiez eben nicht so viel zu bieten. Wobei, die Treptower Klause sei eine ganz gute Adresse. Hier war früher eine typische Kiezkneipe untergebracht, in der die Alteingessenen ihr Feierabendbierchen tranken und Schnitzel aßen. Von außen hat sich nicht viel geändert, doch seit ein paar Jahren gibt es einen anderen Betreiber. Mit dem Wechsel habe sich nicht nur die Karte (gehobene, regionale Küche), sondern auch preislich einiges geändert. „Ein Hauptgericht kostet um die 15 Euro, das ist nicht für jeden erschwinglich“, findet Lang.
Dass wir durch einen Kiez spazieren, dessen Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt sich an den vielen kleinen Geschäften, die unlängst eröffnet haben. Einige davon habe die zweifache Mutter noch gar nicht besuchen können, genauso wenig wie das Beautystudio direkt in ihrem Haus. Mit einem Augenzwinkern stellt sie fest: „Immer wenn ich hier vorbei gehe, ist es leer“. Ein paar Häuser weiter befindet sich ebenfalls ein Ort, den Lang noch nicht besuchen konnte. Super findet sie das neue Bürgerbüro des Grünen-Abgeordneten Harald Moritz trotzdem: „Das erste Bürgerbüro, das ich in meiner Nähe habe.“