Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Joachim Deutschland: "Ich bin Friedrichshainer!"

Musiker Joachim Deutschland.
Musiker Joachim Deutschland.
Simon-Dach-Kiez - Die meisten kennen ihn noch von seinem Hass-Song "Marie", der 2003 in den Radios rauf und runter gespielt wurde. Später landete der Musiker eher durch provokative Aktionen in den Schlagzeilen. QIEZ traf sich mit dem 32-Jährigen in Friedrichshain, wo der Sänger den größten Teil der Songs für sein neues Album "Der neue Deutschland" geschrieben hat.

Sein neues Album nennt Joachim Deutschland schlicht und einfach „Der neue Deutschland“. Denn viel hat sich bei dem Musiker getan, seit er zur Zeit der Veröffentlichung seines zweiten Albums „Rock sei Dank“ vor acht Jahren nach Friedrichshain gezogen ist. 2009 hat er geheiratet und ist inzwischen Vater von vier Kindern. „Die Familie hat mein Leben besser gemacht“, sagt Joachim Deutschland. „Ich brauchte eine Struktur. Es gefällt mir, regelmäßig zu essen, regelmäßig zu schlafen.“

Die vergangenen acht Jahre in Berlin nennt Joachim eine menschliche und musikalische Findungungsphase. „Aber die ist jetzt vorbei“, bekräftigt er. Mit seinem neuen Album mit dem sehr ich-bezogenen Titel will der Musiker mit der Rastamatte raus aus dem Provokateurs-Image und als ernstzunehmender Künstler wahrgenommen werden. „Die Leute haben ganz verschiedene Bilder von mir“, sagt der Musiker, „Ich wollte ihnen ein klares Bild geben – und keinen Klamauk.“

Das erste Album ohne Kraftausdrücke

„Ich war mein eigener Henker“, sagt Joachim Deutschland im Rückblick auf die Zeit, in der er dem Fernsehpublikum beim Grand Prix-Vorentscheid 2003 seinen nackten Hintern präsentierte oder die Töchter und Ehefrau von Ex-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber auf sexistische und geschmacklose Weise durch den Dreck zog. Das dritte Album ist nun die rockigste Platte, die Joachim Deutschland bisher gemacht hat, aber auch die ernsthafteste. Und, so wirbt der Musiker, sie komme zum ersten Mal ohne Kraftausdrücke aus.

Trotzdem ist der Sohn einer Jazzsängerin und des Jazztrompeters Johannes Faber sich seiner besonderen Rolle im Musik-Business bewusst. „Ich bin halt Joachim Deutschland“, sagt er. „Nur ich bin so und besetze da einen Platz, der mit anderen schwer zu füllen ist.“ Er schreibe Lieder, die ihm aus der Seele sprechen, über soziale Fragen, Politik oder über Beziehungsstress. „Ich bin sehr persönlich in meinen Liedern. Ich erfinde keine schönen Sinnbilder sondern bin direkt.“ Diese offene Weise eröffne ihm auch den Zugang zu anderen Menschen: „Man kann immer jemanden finden, der fühlt, wie man selber“, ist sich Joachim Deutschland sicher.  

Überall Musik im Friedrichshain

Als Joachim Deutschland vor acht Jahren nach Friedrichshain kam, war der ganze Stadtteil voller Musik, berichtet er. „Man konnte nicht anders als Musik zu hören, irgendwo war immer ein Ghettoblaster“, erzählt der Musiker. „Ich war damals viel mit Brothers Keepers unterwegs und habe Musiker kennengelernt, die ich sehr geschätzt habe, darum bin ich hergezogen“, erklärt er den Umzug nach Berlin.

Auch wenn sich einiges verändert habe, sei Friedrichshain immer noch offen für Kultur, sagt er. Das RAW-Gelände sei so ein Platz für Kunst und Kultur, „auch wenn es jetzt schon sehr kommerzialisiert ist.“ Richtige Lieblingsorte im Quartier hat Joachim Deutschland nicht. „Ich bin in ganz Friedrichshain unterwegs. Immer wenn ich über die Warschauer Brücke gehe, ist das wie nach Hause kommen“, sagt er. „Auch die U1 ist für mich was Besonderes“, sagt der Musiker, der noch vor zwei Jahren in Berlin als Straßenmusiker unterwegs war. „Aber wenn man eine Familie gründen will und das Bedürfnis nach Raum hat, dann ist es hier nicht so schön.“ In zehn Jahren ist Berlin ein Asphalt-Dschungel, ist er sich sicher. „Dann will man hier nicht mehr leben.“

Dennoch habe ihn die Stadt sehr geprägt, sagt Joachim Deutschland. Aber auch nach acht Jahren in der Stadt sieht er sich nicht als Berliner. „Die richtigen Berliner haben die 90er hier mitgemacht, die sind auch viel älter als ich. Ich liebe meinen Kiez, darum bin ich Friedrichshainer“, so der Musiker, der die amerikanische Staatsbürgerschaft inne hat. „Aber heute brauche ich Friedrichshain nicht mehr so. Vielmehr geht es jetzt darum, was meine Familie braucht, diese Frage ist viel wichtiger, als in welchen Bezirken ich leben will.“

RAW-Tempel (geschlossen), Revaler Str. 99, 10245 Berlin

Weitere Artikel zum Thema

Wohnen + Leben | Durch den Kiez
Inger-Maria Mahlke: Neuköllner Schauplätze
Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke liest keine Berlin-Bücher. Sie findet, ihr aktueller Roman "Rechnung offen" könne vielerorts […]
Durch den Kiez | Wohnen + Leben
Oliver Wnuk über das grüne Köpenick
Köpenick - In wenigen Tagen starten die Dreharbeiten zum großen "Stromberg"-Film, in dem er wieder […]