Seit Yang Liu Kinder hat, sucht sie sich Orte aus, an denen sie „nicht auffällt“. Vielleicht fiel die Wahl auch deshalb auf das Café Fleury als Treffpunkt für unser Interview. Denn an diesem kühlen Herbstmorgen platzt der kleine Franzose aus allen Nähten, der Geräuschpegel kommt dem in einem Bahnhof gleich. Da stört es wirklich nicht, wenn Kinder quengeln oder weinen. Doch ihre beiden hat die gebürtige Chinesin lieber daheim gelassen, um in Ruhe von ihrem Leben in Berlin zu erzählen.
Immer in Bewegung
Seit 2004 lebt die Designerin, deren aktuelles Buch „Mann trifft Frau“ gerade im TASCHEN-Verlag erschienen ist, in Mitte. Davor waren neben Berlin abwechselnd New York und London ihre Heimat. „Als ich von meinen Reisen zurück kam, hat Mitte sehr gut zu meinen Bedürfnissen gepasst. Die Atmosphäre hier ist der in Greenwich Village sehr ähnlich. Es ist international und gleichzeitig beweglich“, sagt sie. Charlottenburg sei im Gegensatz dazu sehr ansässig. Auch Liu selbst war viel in Bewegung, bevor ihr letzten Endes die Professur für Kommunikationsdesign an der BTK einen damit verbundenen dauerhaften Wohnsitz in Berlin brachte.
Berlin ist erwachsen geworden
Trotzdem hält sie sich viel an touristischen Orten auf. Das Ballhaus Mitte beispielweise besucht die 38-Jährige oft, oder im Sommer den Garten von Clärchens Ballhaus. Früher hatte sie ihr Büro im Haus Schwarzenberg: ein ganz besonderer Ort von Geschichte, Kultur und Kunst. „Das war eine sehr schöne Zeit damals. Alles dort ist sehr unkonventionell“, findet Yang Liu. Mittlerweile hat sie zwar auf der Torstraße ein Design-Studio – „ich wollte einfach zu Fuß in fünf Minuten auf der Arbeit sein“ – , doch die Künstler-Ateliers und Galerien in der Rosenthaler Straße 39 besucht sie, gerade auch der vielen Freunde wegen, noch recht oft.
So kinderfreundlich wie keine andere Stadt
Apropos Galerien: In Mitte besucht Yang Liu gerne Kunstwerke in der Auguststraße, die mit wechselnden Ausstellungen junger, zeitgenössischer Künstler aufwarten. Früher sei sie sehr viel zum Hamburger Bahnhof gegangen. „Inzwischen ist es weniger geworden, auch wegen der Kinder“, sagt die zweifache Mutter. Besonders empfehlen kann sie die Galerien in Tiergarten rund um die Zimmerstraße. „Aber mit den Kinder gehen wir dort im Moment meistens nur ganz schnell vorbei“, lacht sie.
Was die Küche ihres Heimatlandes angehe, gibt es wenig Auswahl. „Es gibt kaum Chinesen in Berlin, die Gastronomie betreiben. Wenn, dann sind das eher Thais oder Vietnamesen“, erklärt Yang Liu. Doch dann fällt ihr ein gutes Restaurant ein, das von Chinesen betrieben wird und traditionelle Gerichte modern interpretiert: das Toca Rouge. Ab und an gehen sie und ihr Mann auch zur Ming Dynastie neben der Chinesischen Botschaft. Oft wird daheim gekocht, auch Chinesisch. Die Zutaten hierfür gibt es im Vinh-Loi Asien Supermarkt in Wedding.
Der kleine Unterschied
Das Einkaufen übernimmt übrigens ihr Mann, genauso wie viele andere Dinge im Haushalt. Das sei in China gang und gäbe. Sie ist erstaunt darüber, wie wenig sich Väter bzw. Männer hierzulande im Haushalt oder an der Erziehung der Kinder beteiligen. Theorie und Praxis driften eben immer noch sehr weit auseinander. „In Sachen Gleichberechtigung sind wir noch nicht wirklich weiter gekommen“, resümiert sie. Wo wir noch einmal bei ihrem aktuellen Buch „Mann trifft Frau“ wären. Darin hat Yang Liu alles gesammelt, was sie zum Thema Kommunikationsprobleme zwischen den Geschlechtern erlebt und wahrgenommen hat. Sie musste feststellen, dass auf der ganzen Welt meist „missverständlich vom anderen Geschlecht“ gesprochen wird. Das sei so universell, das musste sie einfach dokumentieren.