Weiße Wolken treiben über den Steglitzer Fichtenberg. Es ist ein gediegenes Viertel, alte Villen, große Gärten. Gut 15 Minuten läuft man von der Schlossstraße hinauf zum Carl-Heinrich-Becker-Weg. Nummer 19, ein Mädchen steht am offenen Gartentor. Annabelle, braunes Haar, rotes Blümchenkleid, hat eben schwarze Johannisbeeren gepflückt und streckt einem eine Handvoll entgegen. Mal probieren? Dann spielt sie Lotse, hüpft den von Büschen gesäumten Pflasterweg hinunter, pflückt mal links, mal rechts ein paar Beeren und erzählt schon mal ein bisschen von dem Garten, in dem eine Fünfjährige so viel erleben kann, weil es so vieles zu entdecken gibt. Also hat ihr Papa, der Maler und Bildhauer Blonay Fuchs, ihn eigens so angelegt – für kleine und große Abenteurer.
Unterwegs muss man Geranien bewundern und dickblättrige Sukkulenten in Tontöpfen auf jedem freien Mäuerchen. Annabelle streicht gern über Hortensienblüten und Lilien. Es duftet nach Sommer, die Nase erschnuppert Lavendel. In den Kletterrosen summen die Bienen.
Der Garten bietet nicht nur Blüten-Kunst. Aus Blumen und Ranken taucht schimmernd eine kniehohe Sandsteinfigur auf, ein sich umschlingendes Paar. Stein in weichen Formen, die Linie aufs Wesentliche reduziert. Liebe und Lust, Wandel und Wachstum, Vitalität und Ruhe, Chaos und Formgebung – um diese Kontraste kreist die Kunst von Blonay Fuchs. Sein Anspruch findet sich im Garten wieder.
Die Kiefern leuchten rot in der Sonne
Am Rande der Wiese recken sich riesige Kiefern, die Rinde rot in der Sonne, so feurig wie die Kiefern vom Grunewaldsee, die Impressionist Lesser Ury einst malte. Rose und Glyzinie winden sich einen Stamm hinauf. Fuchs sagt: „Wenn beide blühen, ist das ein Fest.“ Für ihn sind die Kiefern der märkische Akzent auf seinem Stück Land, das er den „Erlebnisgarten“ nennt.
Der Kaffee auf freier Wiese war gut, es ist Zeit für einen Rundgang. Hügel begrenzen die Wiese im Südosten, Blonay und Broemme haben sie eigenhändig angehäuft. Das Gelände soll modelliert wirken, „wie in Bewegung“. Fuchs steigt einen Pfad zwischen gelben „Mädchenaugen“ hinauf. Dichter Rasen auf dem Weg wirkt wie ein grünes Band, das den Blick zur Skulptur auf der Kuppe lenkt. Die Figuren sind sparsam im Garten verteilt, aber jede hat ihre Inszenierung. Sie scheinen hier draußen gewachsen zu sein, im Erdreich, auf Baumstümpfen.
Annabelle liebt ihre Dschungelschaukel
nnabelle rennt voraus, verschwindet unter alten Kiefern und Eiben, die hier dicht wachsen. Zwischen Funkien und Zaubernuss wuchern im Halbdunkel Farne, armdicke Efeuwurzeln baumeln am Baum wie Lianen. Es ist ihr Urwald. Zwischen Stämmen hat Albrecht Broemme einen Balken mit Knoten befestigt – fachmännisch wie beim THW. Daran hängt Annabelles Dschungelschaukel. Im Urwald darf die Natur wuchern, wie sie will, auch auf manchen Beeten, wo sie buntes Chaos anrichtet. Aber daneben wächst eine streng in Form gebrachte Stockrose. Das ist Blonay Fuchs’ Gartenkunst.
Annabelle pflückt reife Maulbeeren und freut sich über die Rotkehlchen. Die hüpfen ihr hinterher und picken jedes Würmchen auf, wenn sie die Erde harkt.