Neue Ausstellung im Stadtmuseum

Schluss mit Ostalgie - jetzt wird's westalgisch

Im Foyer des Ephraim-Palais werden Besucher der Ausstellung "West:Berlin" von prominenten Berliner Köpfen empfangen.
Im Foyer des Ephraim-Palais werden Besucher der Ausstellung "West:Berlin" von prominenten Berliner Köpfen empfangen. Zur Foto-Galerie
Nikolaiviertel - Wer dieser Tage etwas über den Mythos West-Berlin zwischen 1945 und 1990 erfahren möchte, muss in den ehemaligen Ostteil der Stadt fahren. Am Spreeufer widmet sich das Ephraim-Palais bis Mitte Juni 2015 dem Geschehen in jenem Teil der "Halbstadt", in dem es nur eine Himmelsrichtung gab.

(c) Stadtmuseum Berlin / Ludwig Binder
Knarrende Holzdielen, Stuckwände und verschachtelte Räumlichkeiten – für ihre Ausstellung über Politik, Wirtschaft, Kultur und Alltag im Westteil der bis zum Mauerfall 1989 geteilten Frontstadt Berlin haben die Kuratoren Dr. Thomas Beutelschmidt und Julia M. Novak eine geschichtsträchtige Location gefunden. Die Entscheidung für das in den 1760er Jahren erbaute, denkmalgeschützte Ephraim-Palais fiel nicht zufällig. Schließlich wurde das Gebäude 1935 abgetragen, in Einzelteilen an verschiedenen Orten in Ost- und Westberlin aufbewahrt und erst Ende der 80er Jahre fast genau an seinem ursprünglichen Standort im Nikolaiviertel wieder aufgebaut. Mit seiner Gesamt-Berliner Vergangenheit ist der heutige Ausstellungsort also wunderbar geeignet für eine Schau über das Leben im kapitalistisch geprägten Teil der Stadt.

West:Berlin

Schon der Titel der Ausstellung „West:Berlin“ verrät einiges über das nicht ganz unkomplizierte Vorhaben, eine Ausstellung über diesen Ausschnitt der deutsch-deutschen Vergangenheit ins Leben zu rufen. Schließlich hatten alle für den Westteil der Stadt Berlin eingesetzten Namen – u.a. Berlin West, Berlin (West) oder Westberlin – immer auch eine politische Dimension. Mit der Wahl des Doppelpunktes wollen die Ausstellungsmacher sich bewusst von dieser Vereinnahmung der Systeme abwenden. Auch der Tendenz zur Romantisierung soll nicht nachgegeben werden. „Wir wollen nicht nachträglich verklären. Die Ausstellung West:Berlin konzentriert sich auf das produktive Nebeneinander der Sphären und den polyzentristischen, widersprüchlichen und janusköpfigen Charakter der „Insel im roten Meer“. Insgesamt wollen wir mit der multiperspektivischen ‚Tour d’Horizon‘ die Besucher aus nah und fern, Alteingesessene und Zugereiste, Westler und Ostler einladen, sich ihr eigenes Bild zu machen und sich auf eine Spurensuche nach dem ‚Wesen‘ von West:Berlin zu begeben“, so das Ziel der Kuratoren.

(c) Stiftung Deutsches Technikmuseum / Michael Setzpfandt
Bei einem Rundgang durch die Ausstellung, die auf drei Etagen mehr als 500 Exponate der Berliner Alltags- und Kulturgeschiche, Plakate, Kunstwerke, politische Zeugnisse und Fotografien versammelt, werden mit multimedialen Mitteln auch wirklich ganz verschiedene Emotionen wachgerufen. Während dem Ost-Berliner bei der Durchsage aus dem „Studio am Stacheldraht“ – einer gewaltigen Anlage, mit der die Westmächte politische Nachrichten und moralische Appelle gen Osten sendeten – vielleicht eine Gänsehaut über den Rücken fährt, schmunzeln jüngere Generationen über selbstbewusste 50er Jahre-Slogans. Und den ein oder anderen Alt-68er könnte bei den anarchischen Zeugnissen über die erstaunlichen (künstlerischen) Freiräume in der eigentlich eingeschlossenen Stadt ebensoviel Wehmut überfallen wie den konservativen Charlottenburger, der sich mit Rolf Eden, Harald Juhnke und dem goldenen Bambi an glorreiche Zeiten zurückerinnert.

Highlights und Fazit

West:Berlin im Ephraim-Palais. (c) Trieba
Weitere Highlights der unterhaltsamen Schau, die unter anderem die Themenbereiche „Trennung und Teilung“, „Schöner Wohnen“, „Die Stadt am Tropf“ oder „Studieren – Protestieren – Rebellieren“ umfasst, sind etwa eine dem 2013 geschlossenen Hotel Bogotá nachempfundene Hörlounge – in der man zahlreiche Original-Tondokumente aus den 50er bis 80er Jahren abhören, historische Zeitungen lesen und gleichzeitig in gemütlichen Sesseln versinken kann -, eine originalgetreue Nachbildung von Flusspferd Knautschke, das europaweit erste Präparat zur hormonellen Empfängnisverhütung sowie Theaterrequisiten, die Zeugnis ablegen von der innovativen West-Berliner Kulturlandschaft.

Ein breites Spektrum also, das zwar nicht immer wirklich in die Tiefe geht, dafür aber viele Facetten des West-Berliner Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen abbildet. Auch wahnsinnig spektakulär ist das Ganze nicht – Hörstationen, kleine Bildschirme, dreidimensionale Karten und die ansehnliche Präsentation vieler Objekte sind es, was die Schau in Sachen Multimedialität zu bieten hat – trotzdem ist West:Berlin ein gelungener Rundumschlag für alle, die einem Stück vergangenem Lebensgefühl nachspüren möchten.

Weitere Infos findest du unter der neuen .berlin-Domain: http://west.berlin

Foto Galerie

Ephraim-Palais (Stiftung Stadtmuseum Berlin), Poststraße 16, 10178 Berlin

Telefon 030 24002162

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Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10:00 bis 18:00 Uhr
Mittwoch 12:00 bis 20:00 Uhr

Museum Ephraim Palais

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