Besuch im größten deutschen Kochbuchantiquariat

In 35.000 Kochbüchern um die Welt

In der Bibliotheca-Culinaria stapeln sich echte Kochbuch-Schätze übereinander.
In der Bibliotheca-Culinaria stapeln sich echte Kochbuch-Schätze übereinander. Zur Foto-Galerie
Rosenthaler Platz - In einem 80 Quadratmeter großen Kellergeschoss im Herzen Berlins erzählen zigtausend antiquarische Kochbücher eine ganz eigene Kulturgeschichte der Welt von 1716 bis heute. Wir haben uns in der Bibliotheca-Culinaria umgeschaut.

Mehr Kochbuch geht nicht.
Swen Kernemann-Mohr hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Seit 2010 verkauft der ehemalige Blumengroßhändler aus Köln in der Zehdenicker Straße alte Kochbücher. Angefangen hat seine Passion vor 30 Jahren mit einem Flohmarktfund – und sie hält bis heute an. „Neue Kochbücher interessieren mich eigentlich überhaupt nicht“, lacht der sympathische Mann, der einen schnell mit seiner Begeisterung für die gebrauchten Werke ansteckt. „Heute soll alles so visuell wie möglich sein. Aber ich mag halt eher das ‚Kopfkochen‘ und interessiere mich für die Cover und die Geschichte hinter jedem einzelnen Buch.“

Pingelig geht es dabei in der Biblitheca-Culinaria, dem wohl größten deutschen Kochbuchantiquariat, nicht zu. Das „Brandenburgische Kochbuch“ von 1731 liegt aufgeschlagen neben einem mit viel Selbstironie gestalteten Nachkriegskochbuch von 1947 „Der heruntergekommende Lucullus“. Daneben Rezeptsammlungen aus dem 19. Jahrhundert, schöne Sammelbände und weitere echte Kuriositäten wie der Ratgeber „Gewinnbringende Schweinezucht in Argentinien“, ein Ratgeber für deutsche Kolonisten von 1920. In den hinteren Räumlichkeiten reihen sich weitere Bücher etwa zu den Themenbereichen „Eier“, „Erotik“ und „Für die Mikrowelle“, Bücher in Blindenschrift, internationale Kochbücher oder sogar Spiele zum Thema Kochen aneinander.

Ein Samowar aus Moskau

"Ich koche für dich!"
Hier den Überblick nicht zu verlieren ist eine echte Leistung. „Wenn ich nach einem bestimmten Buch gefragt werde, muss ich manchmal erst im Internet das Cover recherchieren, um das Buch finden zu können“, gibt Kernemann-Mohr zu. Und auch die Katalogisierung ist ein mühsames Unterfangen. „Da bin ich erst bei knapp 13.000 Titeln“, so der Sammler, der es damit aber auch nicht so genau nimmt. Schließlich stehen in seinem Laden alle Bücher sowie alle Requisiten wie etwa ein Samowar von den Olympischen Spielen in Moskau 1980 zum Verkauf. Sogar ein begehrtes handsigniertes Kochbuch von Sophia Loren mit „tollen Fotos von einer in Robe gekleideten Loren am Grill“ ist hier schon über die Ladentheke gegangen. „Man findet halt immer etwas Neues“, beteuert der Kochbuch-Experte.

Ein Besuch in seinem Laden wird übrigens schnell zu einer längeren Angelegenheit: Schließlich könnte Kernemann-Mohr gefühlt zu jedem seiner Werke eine tolle Geschichte erzählen. Etwa, dass Henriette Davidis die erste Frau war, die im 19. Jahrhunder ein gesamtdeutsches Kochbuch auf den Markt brachte, vorher widmete man sich in Deutschland fast ausschließlich der regionalen Küche. Oder dass es in der DDR zwar nur wenige Kochbücher gab, die dafür aber qualitativ sehr hochwertig waren.

Hier geht's lang.
Oder dass sich der Gebrauch von Mengenangaben in den Rezepten erst nach und nach durchsetzte. Oder dass man anhand einer Maggi-Kochbuchreihe die modischen Veränderungen in punkto Frauenfrisuren über Jahrzehnte nachvollziehen kann und ein Blick in ein sowjetisches Buch zu einer echten Völkerkunde-Stunde werden kann. Auch über die Kochleidenschaft der Italiener oder verschiedene Gender-Thematiken kann man in der Bibliotheca-Culinaria wunderbar sinnieren.

Der Renner sind übrigens nicht, wie man annehmen könnte, die wirklich alten Werke mit antiquarischem Wert, sondern Bücher aus den 60er bis 80er Jahren. „Vielen älteren Leuten ist ein Buch kaputt gegangen und die Jüngeren erinnern sich ‚Ach, das hatte ja meine Mama!'“, erzählt Kernemann-Mohr. Abgesehen davon gehören Köche, Koch-Azubis und vor allem im Sommer auch viele begeisterte Touristen zu seinen Kunden. Was so alles in einem Kochbuchantiquariat stecken kann, ist allerdings auch für Berliner eine lohnenswerte Entdeckung.

Foto Galerie

Bibliotheca-Culinaria, Zehdenicker Str. 16, 10119 Berlin

Telefon 030 47377570

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Samstag 11:00 bis 16:00 Uhr

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