Palisadenkiez - Die Karl-Marx-Allee ist eine vierspurige Straße und eigentlich kein Ort, an dem man sich lange aufhalten möchte. Doch am Strausberger Platz kann man ein kleines, grünes Paradies entdecken.
Am Strausberger Platz – zwischen Alexander Platz und Frankfurter Tor – lässt sich zwar unter riesigen Kastanien recht gut sitzen und der pompöse Springbrunnen aus DDR-Zeiten ist allemal interessant. Aber hinter den „Stalinbauten“ am Platz gibt es ein noch viel schöneres Kleinod zu entdecken. Auf einer ehemaligen Brache in der Fürstenwalder Straße / Ecke Palisadenstraße haben die Baufachfrauen Berlin e.V. und 50 Nachbarn unter der Leitung des Vereins Menschenskinder innerhalb von zwei Jahren einen Nachbarschaftsgarten für Jung und Alt geschaffen.
Zwölf Jahre Brache
Das Gelände lag zwölf Jahre brach und musste erst kultiviert werden. Dazu wurde zunächst entrümpelt, totes Holz entfernt und ein Zaun um den zukünftigen Garten angebracht. Außerdem wurde viel diskutiert: Wo soll der Lehmofen stehen, wo die Sitzbänke, welches Gemüse soll wo angebaut werden. Von August 2012 bis Mai 2014 arbeiteten verschiedene Nachbarn und Vereine am neuen Gemeinschaftsgarten; am 19. September wurde die grüne Pracht mit einem großen Fest eingeweiht.
Unter dem Motto „Mittelalter“ durften die Gäste unter Anleitung Filzarbeiten machen, im Lehmofen Brot backen und selbst Seife herstellen. „Viele wussten bis zum Fest nicht, dass wir offen für alle sind“, sagt die Gartenkoordinatorin Anita Fischer von Menschenskinder. Deshalb hätten sich viele nicht getraut, nach einem eigenen Beet zu fragen. Die sind zwar alle vergeben – aber jeden Freitag kann jeder, der will, unter professioneller Anleitung im Garten mitarbeiten.
Am Eingang zum Garten steht: „Dies ist ein interkultureller Garten“ und ich frage mich welche Kulturen im Palisaden-Kiez bzw. am Strausberger Platz gemeint sein könnten. Prompt folgt die Antwort. Ich höre Hebräisch; mehrere junge Väter und Mütter mit kleinen Kindern gehen spazieren. Eine Frau erzählt einer anderen auf Englisch, dass hier vorher nichts, gar nichts gewesen sei und jetzt – „ein Paradies“, sagt sie.
Verbindungen zur jüdischen Gemeinde
Hier wächst fast alles: Kürbis, Grünkohl, Mangold ...
Auf einer Seite des Gartens befindet sich die Kita des Vereins Menschenskinder und auf der anderen ein Familienzentrum. Dort treffe ich eine junge Mutter, die mir erklärt, dass dies ein jüdisches Haus sei. „Wir feiern hier jeden Monat jüdische Feiertage“, sagt sie mit amerikanischem Akzent. Ganz stimmt das mit dem jüdischen Familienzentrum allerdings nicht: Es gehört zum Verein Menschenskinder und beherbergt lediglich den jüdischen „Bambinim FamilyClub“.
Der Kontakt zu Menschenskinder kam durch eine Frau aus der Nachbarschaft, erzählt Fischer. Der Hauptsitz des „Bambinim FamilyClubs“ sei in Charlottenburg – zu weit für die junge Mutter, die am Strausberger Platz lebt. „Und so treffen sich die jüdischen Familien aus Friedrichshain zum Kiddush feiern heute in unseren Räumen“, sagt Fischer von Menschenskinder. Im Garten haben die jüdischen Familien außerdem eine Kräuterspirale angelegt und nutzen die Grünanlage auch für ihre Familienfeierlichkeiten.
Der Nachbarschaftsgarten wurde mit Mitteln der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Mitteln aus dem Kooperationsprojekt „Bildung im Quartier“ finanziert. Jetzt, wo der Garten blüht und grünt, träumt der Verein Menschenskinder davon, dass hier nicht nur der Einzelne Erholung findet. Senioren sollen hier gemeinsam mit Kindern gärtnern und Nachbarn unterschiedlicher Kulturen und Bildungsschichten gemeinsam im Grünen arbeiten und feiern.