Die Hauptfigur des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun ist die 18-jährige Doris; der Star des Stückes zum Buch, das gerade im Schlossplatztheater Köpenick gastiert, ist ganz klar die Schauspielerin Birgit Blasche. Und das nicht nur, weil sie ohnehin die Einzige ist, die an diesem Abend auf der Bühne steht. Mit dem Einpersonenstück tourt die Berlinerin seit drei Jahren durch Deutschland und man hat das Gefühl, in der gemeinsamen Zeit sind die Auftritte als Irmgard Keuns Hauptfigur für die Schauspielerin zu Wohlfühlmomenten geworden. Außerdem sind die vier Aufführungen in der Altstadt Köpenick für Blasche quasi ein Heimspiel. Schließlich leitet sie seit 2011 das Jugendtheater der Einrichtung.
Und klar, das Schlossplatztheater erscheint wie für dieses Stück gemacht. Schon die Anreise durch die Gassen der Altstadt versetzt uns zurück in Berlins vergangene Tage. In den dreißiger Jahren versucht Doris, ein „Glanz“ zu werden, also über alle Normalität und Armut hinauszuwachsen – egal ob mithilfe vorgetäuschter Tatsachen, tatsächlicher Talente oder der Geldbörse ihrer Verehrer. Im Roman erscheint die so ehrgeizige wie auf sich selbst bedachte Figur dabei trotz ihres Humors oft egoistisch und unnahbar. Birgit Blasche schafft es mit ihrer Darstellung, aus der Doris einen liebenswerten Charakter zu machen. Eine, die man versteht, mit der man durch das Auf und Ab ihres besonderen Alltags fiebert, mit der man lacht und den Kopf schief legt, wenn sie traurig ist.
Wie im Roman: Aus wenig viel gemacht
Dafür sind Blasches Mittel denkbar einfach. Sie trägt einen großen Koffer mit sich herum, in dem Requisiten versteckt sind, die gemeinsam mit etwas Licht ganz neue Alltagswelten der Doris erzeugen. Und auch sonst reichen eine Bank, eine Schaukel und eine Laterne, um den Zuschauer in das Büro aufdringlicher Vorgesetzter, in reich und ärmlich ausgestattete Wohnungen, Hausflure und Parkanlagen zu versetzen. Dass mit so wenig so viel möglich ist, liegt natürlich nicht nur an der Konzeption des Stückes, sondern auch und vor allem an der facettenreichen Spielweise seiner Protagonistin. Dieses anfangs so zarte Wesen kann auch übertrieben vulgär oder zum Schreien lächerlich. Mimik, Gestik, Intonation und Körpersprache versteht Birgit Blasche mit jener Perfektion einzusetzen, die aus dem fröhlichsten Volkslied im Nu eine zynische Tirade macht. Denn, ach ja, gesungen und getanzt wird in dieser Aufführung auch noch. Und auch wenn man manchmal das Gefühl hat, Blasche hätte noch weniger zurückhaltend spielen und ihr Stimmvolumen, von dem es in dem Stück doch einige Kostproben gibt, bis zum Ende ausschöpfen können, bleibt hier vor allem der Eindruck, dass die liebenswerte Version des kunstseidenen Mädchens genau so gespielt werden muss, wie Birgit Blasche es uns zeigt.
Am 24. und 25. um je 20 Uhr kann man „Das kunstseidene Mädchen“ im Schlossplatztheater erleben. Die Karten kosten 17,50 Euro, ermäßigt 13,10 bzw. 8,70 Euro.
„Ob zur Einstimmung oder als Abschluss, ein Abstecher in die benachbarte „Alte Laterne“ macht diesen Theaterabend in Köpenick perfekt – und wenn es nur für eine Berliner Weisse ist. Aber auch ohne sie war ich vom Schlossplatztheater so begeistert, dass ich mir hier sicher noch viele Stücke ansehen werde. „