Das „H“ muss verschwinden. Es steht zwar unter Denkmalschutz, trotzdem kommt es für drei Tage unter eine schwarze Abdeckung. Der Chef der Bread & Butter, Karl-Heinz Müller, deutet – von seinem Felsen aus – auf den Schriftzug am Flughafengebäude. Aus „Berlin-Tempelhof“ wird vom 4. bis 6. Juli das Wortspiel „Berlin-Tempel of Denim“. Die Jeans-Stoff-Fransen hängen schon am Tempel, als der holländische Kreativberater Arne Koefoed zusammen mit Müller am Sonntagmittag einen Rundgang macht. Sie wollten eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte der Denim-Bewegung, die in den 50er Jahren entstand und mittlerweile auf der ganzen Welt Menschen aller Nationalitäten, Schichten und Geschlechter vereinigt.
„Denim ist die demokratischste Bewegung“, meint Müller. Für Koefoed ist sie aber ausdrücklich nicht politisch, sondern eher musikalisch inspiriert, vom Rock’n Roll, von den Hippies.
Vier Kilometer Denim für den Tempel
Im Grunde ist der Tempel ein Zelt mit vielen Fenstern, dessen Architektur keiner geringeren als der Neuen Nationalgalerie nachempfunden ist. Das eigentliche Dach ist weiß. An diesem hängen ringsum Tausende Fransen in sechs verschiedenen Farben Blau, hergestellt aus vier Kilometer Denim-Stoff der türkischen Marke Orta.
Will man zum Tempel, geht es durch einen kleinen Garten teils uralter Bonsai-Bäume. Im Eingangsbereich finden sich alte hölzerne, mit Jeans-Stoff bezogene Gebetsmühlen. Denim sei nun mal ein Lebensstil, der Kulturkreise vereint. Daher nimmt Koefoed im Tempel auch Motive verschiedener Religionen auf, ein Ritual der Amish ebenso wie eine Voodoo-Zeremonie und eine katholische Prozession. „Wir wollen die guten Sachen, die von Religionen ausgehen, aufnehmen, Freiheit und Einheit zum Beispiel, und damit zeigen, wie viel Spaß und Kreativität in dieser Mode steckt.“ Von der Decke herab hängen 1000 weißblaue T-Shirts, die in Tauchbädern gefärbt wurden und für Beständigkeit stehen sollen. Im Gegensatz zu den Jeans-Fransen, die draußen im Wind wehen und jeden Morgen neu entwirrt werden müssen.
Der Fels in der Brandung
Das Leitmotiv The Rock hat Müller ausfindig gemacht, als er ein Bild des Fotokünstlers Ronin sah, der eine Tour längs der Straße der Romantik gemacht hat und den Fels bei Quedlinburg entdeckte. Zunächst hatte er einen nackten Menschen draufgestellt, ihm dann aber einen roten Teppich umgehängt, so dass er ein bisschen wie ein tibetanischer Mönch aussah, was auch zum Tempel passt. Tatsächlich ist aber noch gar nicht sicher, was auf dem Nachbau aus Gerüststangen, Rasenmatten, Sträuchern und Blattvorhängen aus Stoff letztlich stehen wird. Müller weiß es schon, aber er verrät es nicht. „Wir sind der Fels in der Brandung“, nennt er als Grund, warum er dieses Motiv gewählt hat. Und fügt mit Blick auf den Tempel hinzu: „Wir sind die Denim-Päpste.“
Vom morgigen Mittwoch an zeigen auf dem Gelände 684 Aussteller den Fachbesuchern, was die Armen und die Reichen, die Jungen und die Alten, die Frauen, die Männer und die Androgynen in Zukunft tragen werden: Natürlich, Jeans. Aber weder die Marke True Religion noch Jeans-Pionier Levi’s sind im Tempel vertreten. Es gibt ja immer neue Marken wie den Japaner Momotaro, den Müller vergöttert, weil er das Garn selber spinnt, die Stoffe selber webt, bevor Designer und schließlich die Fertiger mit ihrer Arbeit beginnen. Wie viele Jeans-Labels es weltweit gibt, kann er auch nicht sagen. Aber in dem Gehämmer wird klar, dass eine Menge Kreativität nötig ist, um aus einer Hose über Jahrzehnte und viele Kulturkreise hinweg, immer wieder neue Habenwollen-Stücke zu fabrizieren.
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