Zunächst mal: Was ist dein Kiez?
Brokof: „Ich lebe seit vier Jahren, nach der Flucht aus dem Prenzlauer Berg, im Norden des Friedrichshain, im Samariterkiez und habe da eine Altbauwohnung.“
Was macht deinen Kiez deiner Meinung nach aus?
B.: „Dass es zumindest teilweise noch eine Mischung aus Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Gesinnungen und sozial verschieden positionierter Menschen gibt. Es ist eher ruhiger als im Südkiez und noch nicht so monokulturell wie im Prenzlauer Berg. Ein paar der letzten besetzten Häuser halten sich hier neben Bio Company und Kinderladen. Außerdem gibt es auch ein paar recht nette, kleine Einzelhändler, wie Plattenläden, Geschäfte für Skaterbedarf oder einen Stoffladen. Man muss nicht zwingend lange unterwegs sein, um alles zu kriegen, was gebraucht wird.“
Offenbar gefällt dir dein Kiez besonders gut …
B.: „Der Norden Friedrichshains hat eine sehr angenehme Anonymität. Es gibt immer ein paar Leute, die man kennt und trifft, aber eben auch einen etwas undefinierbaren Durchgangsverkehr. Irgendwo ums Eck muss beispielsweise ein Gothic- oder Metalladen sein, denn zu bestimmten Zeiten sind plötzlich ganz viele in den Trachten dieser Zunft unterwegs. Hier ist einfach nichts hip und erst recht nicht besonders chic, aber wenn es einem begegnet, geht das genauso gut mit durch wie ein als Punk verkleidetes Mädchen auf der Suche nach sich selbst.“
Wo sollte man im Samariterkiez unbedingt gewesen sein?
B.: „Das Antje Öklesund ist ein wirklich schöner Venue in der Rigaer Strasse. Ausserdem kann man in Nordfriedrichshain für kleines Geld ziemlich gut essen. Der Koreaner neben dem Antje Öklesund beispielsweise oder auch die Nudeln im Mocca auf der Schreinerstraße. Auf der Samariterstrasse gibt es recht neu, eher weiter oben, einen sehr netten vegetarischen Laden, der auch das leckere Büble Bier aus dem Allgäu anbietet. Und natürlich zumindest einmal als Tourist im Park des Friedrichshain auf dem Hügel stehen und sich vorstellen, dass das alles zusammengeschaufelte Trümmer sind, macht sich ganz gut.“
Entspannt geht es da ja aber eher nicht zu. Wo kannst du denn am besten abschalten?
B.: „Ach, jeder entspannt ja anders. Auf dem Balkon finde ich es immer am schönsten. Ansonsten vielleicht einfach durch die Gegend laufen und alle Ziele einfach mal aus den Augen lassen. Das tut gut und spätestens wenn man sich verlaufen hat und irgendwo steht, wo man noch nie war, ist man offen für ein bisschen Abstand und Ruhe. Man könnte dann auf irgendeiner Treppenstufe ein wenig Sonnenlicht einfangen, die Beine nach vorn ausstrecken und vielleicht mal schauen, ob beide Füße gleich groß sind. Ein schöner Ort dafür ist auch die ganz und gar nicht entspannte Kreuzung des Frankfurter Tors und der Grünstreifen entlang der Karl-Marx-Allee.“
Zuletzt wollen wir noch wissen, wie du die Zukunft deines Kiezes siehst?
B.: „Ehrlich gesagt hoffe ich, dass sich nicht so arg schlimm viel verändert. In Berlin kann man sich ja mittlerweile einmal um die eigene Körpermitte drehen und schwupps steht da schon ein neuer Klotz von Wohneigentum, wo gerade noch eine Lücke zwischen zwei Häusern war. Mich macht das eher unmutig, was die Zukunft dieser Stadt und auch dieser Ecke der Stadt angeht. Alles wird zugepflastert mit neuen, sehr oft billig zusammengeschusterten Häusern, deren Wohnungen sich kein normaler Mensch mehr leisten kann. Ich mochte die Lücken mehr und das, was da passierte. Kleine, lustige Spielplätze ohne Gewähr. Die Mieten steigen und vertreiben damit die Farbe aus den Straßen. Irgendwann ist es hier dann so wie überall und wir haben die Chance auf eine wirklich besondere Stadt verspielt.“
Lesen Sie nächste Woche in unserer Reihe „Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez“: Nadja Petri