Eigentlich sollte man ja ein Buch nicht nur nach seinem Einband beurteilen. Doch genau das ist Christian Klünders Job. In seiner Buchbinderei in der Rathenower Straße in Moabit kümmert sich der 61-Jährige nicht nur um die Bindung von Diplom- und Doktorarbeiten, sondern repariert auch kostbare Bücher aus vergangenen Zeiten. Das älteste Buch, an das er Hand anlegen durfte, stammte aus der Zeit um 1480. Es war handgeschrieben und wurde ihm vom Kunden ohne Einband gebracht. „Ich habe dann einen schlichten Ledereinband gemacht, denn den Stil von damals nachzumachen, wäre ja eine Fälschung“, so Klünder.
Neben alten Büchern liegen in der Werkstatt stapelweise loses Papier, Pergament und Leder herum. In der Mitte des großen Arbeitstisches stehen Bügeleisen, die tatsächlich noch aus Eisen sind. An den Wänden hängen allerlei Drucke und zwischen all den Materialien und Werkzeugen befinden sich im ganzen Raum verteilt neue und alte Buchpressen. Doch ist das alles in Zeiten von E-Books und Internet noch à jour?
Die Zukunft des Buches
Um der Zeit nicht ganz so hinterherzuhinken, nimmt Klünder, der einer von rund 30 Buchbindern in der Region Berlin-Brandenburg ist, inzwischen auch Einprägungen auf Smartphone-Hüllen vor. Außerdem stellt der gebürtige Berliner Kassetten und Kästen her. Sogar Puppenhäuser zählten in der Vergangenheit schon zu seinen Aufträgen. Zudem darf er sich um das Goldene Buch der Stadt Berlin kümmern, in das sich die offiziellen Besucher des Roten Rathauses eintragen. Etwa alle vier Jahre ist es voll und wird von Klünder neu gebunden.
„Man weiß nicht, wo es hingeht“, sagt Klünder, der die Buchbinderei zusammen mit seiner Tochter führt. Er meint, vielleicht werde ein Buch mal wie ein Grammophon sein – ein wunderbares, altes Stück für Sammler. Oder aber es handele sich um die größte Erfindung der Menschheit, die nie überflüssig werde, wie es Umberto Eco und Jean-Claude Carrière in ihrem Werk „Die große Zukunft des Buches“ beschrieben haben. Doch auch wenn er nicht weiß, wie die Aussichten für sein Handwerk stehen, Klünder will noch so lange wie möglich weitermachen. Am besten noch zehn Jahre. Dann nämlich können er und seine Familie 100-jähriges Bestehen in der Rathenower Straße 60 feiern.
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