Mohrenstraße

Bündnis fordert Umbenennung in Nelson-Mandela-Straße

Nelson Mandela starb im Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren.
Nelson Mandela starb im Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren.
Friedrichstadt - Seit zehn Jahren fordern afrikanische und antirassistische Vereine aus Berlin die Umbenennung der Mohrenstraße in Nelson-Mandela-Straße. Mit dem Vorschlag, den Platz vor dem zukünftigen Berliner Schloss / Humboldt Forum nach dem Freiheitskämpfer zu benennen, ist dieses Ersuchen neu aufgelebt.

Am Wochenende versammelten sich über 200 Menschen am Gendarmenmarkt, um in einem Gedenkmarsch an die Opfer des Kolonialismus, des Sklavenhandels und Rassismus zu gedenken. Treffpunkt war eine U-Bahn-Station, deren Namen die Demonstrierenden nicht gern aussprechen: Die „Mohrenstraße“ wird dann oft in „Möhrenstraße“ oder „M-Straße“ umgewandelt. Das blaue Schild über dem Eingang zum Bahnsteig überklebten sie kurzerhand mit dem Schriftzug „Nelson-Mandela-Straße“. Der Gedenkmarsch nahm an diesem Tag die Jahre alte Forderung auf, die Straße endlich umzubenennen und den südafrikanischen Freiheitskämpfers zu ehren, dem der Marsch dieses Jahr auch gewidmet war.

Erinnerung an die deutsche Kolonialvergangenheit

Bereits zum achten Mal fand der Umzug statt, immer Ende Februar, denn am 26. dieses Monats endete im Jahr 1885 die Berliner Konferenz, auch Kongo-Konferenz oder Westafrika-Konferenz genannt. Der damalige Reichskanzler Bismarck hatte Vertreter aus allen großen Europäischen Nationen, aus den USA und dem Osmanischen Reich eingeladen, um im so genannten „Wettlauf um Afrika“, der fortschreitenden und gewaltsamen Kolonialisierung des Kontinents, die Handelsbeziehungen zu klären. Die Konferenz gilt als Symbol der Aufteilung Afrikas unter den westlichen Imperialmächten. Die Grausamkeiten und Verbrechen an den Menschen der verschiedenen afrikanischen Völker und Nationen begannen jedoch schon früher.

Der internationale Handel mit versklavten Menschen aus Afrika hatte im 17. und 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Brandenburg-Preußen war dabei beispielsweise mit der „Brandenburgisch-Africanischen-Compagnie“, die mit dem spanischen König einen Vertrag über die jährliche Verschleppung von 2000 bis 3000 Personen als Sklaven unterhielt, aktiv beteiligt. Auch im Preußischen Heer mussten Menschen aus Afrika dienen und entführte Kinder kamen häufig als „Kammermohren“ an die europäischen Höfe – auch an den Preußischen Königshof von Friedrich Wilhelm I. Einige von ihnen waren im 18. Jahrhundert in einer Kaserne in der „Mohrenstraße“ untergebracht, wodurch sie ihren bis heute nicht geänderten Namen erhielt. Das Wort hat eine komplexe Geschichte und geht auf einen griechischen Begriff für „dunkelhäutig“ oder auch „dunkelhaarig“ zurück. Er ähnelt allerdings stark dem Wort für „dumm“ oder auch „gottlos“, wodurch seit Beginn eine negative Bewertung verknüpft war. Schon im Althochdeutschen wurde „Mohr“ sowohl für Schwarze Menschen, als auch als Bezeichnung für den Teufel benutzt. So argumentieren antirassistische Gruppen und WissenschaftlerInnen seit Jahren, dass der Begriff eine Fremdbezeichnung mit rassistischem Unterton bis hin zur offenen Herabwürdigung darstellt und in untrennbarer Verbindung zu Kolonialismus und Sklavenhandel steht.

 „Mandela ist kein Preußischer Kulturbesitz“

Diese deutsche und preußische Kolonialvergangenheit sehen verschiedene rassismuskritische Vereine und Einzelpersonen als unzureichend aufgearbeitet. Das ist auch ein Grund, warum sich das Bündnis „No Humboldt 21“ gegen die Benennung der Fläche vor dem geplanten Berliner Schloss – welches Friedrich Wilhelm I. vollenden ließ und in dem er wohnte – in „Nelson-Mandela-Platz“ ausspricht. Unmittelbar nach dem Tod des südafrikanischen Volkshelden im Dezember hatte die „Stiftung Zukunft Berlin“ diesen Namen vorgeschlagen. Das kritische Bündnis fragte daraufhin eine Stellungnahme bei der südafrikanischen Botschaft an, welche die Stiftung zuvor nicht für den Vorschlag konsultiert hatte. Sie gab sich diplomatisch, aber hoffte, „dass die Integrität und das Erbe Nelson Mandelas in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, besonders mit Hinsicht auf seinen eindeutigen Standpunkt zu Themen wie Kolonialismus, Rassismus, Sklaverei, kulturelle und materielle Ausbeutung ebenso wie Respekt für das kulturelle Erbe der Menschen und Nationen Afrikas“.

Umbenennung weiter umstritten

Die Umbenennung von Berliner Straßennamen stößt jedes Mal auf Widerstand. 2012 scheiterte die Neubezeichnung der Treitschkestraße in Stegliz in einer Abstimmung unter den AnwohnerInnen. der Historiker Heinrich von Treitschke (1834 – 1896) prägte den Satz „Die Juden sind unser Unglück“. Der Bezirk Friedrichshain setzte hingegen 2013 die Neubezeichnung der Gabelsbergerstraße in Silvio-Meier-Straße durch – der antifaschistische Aktivist und Hausbesetzer wurde 1992 am Bahnhof Samariterstraße von Neonazis ermordet.

Einige BezirkspolitikerInnen haben schon ihre Unterstützung für die Taufe der Mohrenstraße in Nelson-Mandela-Straße ausgesprochen. Unter anderem Clara Hermann und Özcan Mutlu von den Grünen nahmen an der Kundgebung zum Gedenkmarsch teil und auch Vera Morgenstern (SPD) aus dem BVV-Kulturausschuss, in dem über Straßenumbenennungen entschieden wird, hält eine Mandelastraße an diesem Ort für eine gute Idee. Auf der anderen Seite sind jedoch einige AnwohnerInnen gegen die Änderung, welche einigen Papierkram hinter sich ziehen würde und auch Innensenator Franz Henkel hatte sich schon 2004 als CDU-Fraktionssprecher gegen den Vorschlag positioniert und erklärt, er fände die Bezeichnung nicht rassistisch oder politisch inkorrekt. Ob und wann also die Straße einen neuen Namen bekommt, bleibt weiterhin unklar.

Bündnis fordert Umbenennung in Nelson-Mandela-Straße, Mohrenstraße, 10117 Berlin

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