Dirk Lashlee betreibt nicht nur mobile Jugendarbeit in Niederschönhausen, er wohnt auch dort. Vor seiner Tür gibt es ebenso wenige kulturelle Angebote wie Begegnungsmöglichkeiten für die Anwohner. Da sich ein solcher Zustand von allein nicht ändert, beschloss er vor drei Jahren, selbst aktiv zu werden. Seinen Ursprung nahm dieses bürgerliche Engagement in einer Zukunftswerkstatt für den Ortsteil Niederschönhausen, zu der das Bezirksamt Pankow eingeladen hatte. Hier trafen Anwohner und Akteure aus dem Kiez aufeinander und fassten den Entschluss, gemeinsam gegen die Probleme in ihrem Umfeld vorzugehen. Da aber nicht auf jeden guten Vorsatz gute Taten folgen, geschah erst mal zwei Monate lang gar nichts. Und dann kam Lashlee, der sich dachte: „Nicht warten, einfach machen!“
Also lud Dirk Lashlee alle Interessierten in ein Restaurant zum ersten Treffen der „Kiezrunde Niederschönhausen“ ein. Diese Zusammenkunft war der Grundstein für das bisher anhaltende Engagement. Mittlerweile finden die Treffen einmal im Monat statt. Es kommen vor allem Vertreter sozialer Einrichtungen aus der Gegend, die außerdem in Niederschönhausen wohnen und daher gleich doppelt zum Anpacken motiviert sind. Zu ihnen gesellen sich Vertreter des Bezirksamts Pankow, von Fraktionen und natürlich aktive Bürgerinnen und Bürger. Kitas, Schulen, Stiftungen, Vertreter von Interessenverbänden oder Bürgerhäusern sind ebenfalls dabei. Gemeinsam sprechen sie darüber, was im Kiez vorgeht, was sich ändern könnte und wie man die Sache angehen sollte.
Das Projekt schlägt Wellen
„Bisher ist uns alles geglückt, was wir uns vorgenommen haben“, sagt Lashlee stolz. Durch die Kiezrunde wurden Feste initiiert, zu denen die Bewohner und Akteure im Kiez zusammenkommen. Hierzu zählen das Musikfest „M(a)y Musik“ oder der „Tanz in den Mai“. Im Januar 2015 wird es ein Benefizkonzert mit Blues- und Rockmusik zum Erhalt der Begegnungsstätte „Stille Straße“ geben, das die Kiezrunde unterstützt.
Außerdem fungieren Lashlee und seine Helfer als heißer Draht zum Bezirksamt und vermitteln zwischen Politik und Bürgern. Sie bieten eine Beschwerdestelle an, an die sich jeder wenden kann, bevor er sein Problem an die oberste Stelle weiterträgt. So beschwerte sich eine Dame über die zu kurze Ampelphase an einer Straße. Die Mitwirkenden der Kiezrunde leiteten die Problematik an das Bezirksamt weiter. Dieses konnte die Situation nicht ändern, da an der Straße eine Tram verkehrt, deren Ampelschaltung kein Bezirk eigenmächtig ändern darf. Diese Auskunft konnte die Kiezrunde an die betroffene Dame weiterleiten. Durch eine solche Vermittlerrolle nehmen Lashlee und Co. sowohl den Ämtern als auch den Anwohnern etwas Druck beim Umgang mit Problemen.
Dieser und andere Erfolge sind für Lashlee das Besondere an der Arbeit in der Kiezrunde. „Ich dachte, die regelmäßigen Treffen wären nur Gespräche, aber das hat sich ganz vehement entwickelt“, schwärmt er. „Es gibt nicht nur einen Träger, sondern an jeder Ecke sitzt einer, der mitmacht“. Und das, obwohl es in der Runde kaum Strukturen gibt und das Engagement von keiner Seite angeordnet wird. Viele Leute beschäftigt das, was bei den Treffen besprochen wird, so sehr, dass sie selbst aktiv werden. Erst vor Kurzem hat etwa die Konrad-Zuse-Schule, die unter anderem Köche ausbildet, beschlossen, auch an anderer Stelle öffentliche Kurse anzubieten.
Das heimliche Zentrum von Niederschönhausen
Der bisher größte Erfolg ist aber das vorweihnachtliche Kiezfest „Novemberlicht“. Im letzten Jahr kamen dazu 1200 Besucher auf den Mittelstreifen der Waldstraße. Der ist für Lashlee das heimliche Zentrum von Niederschönhausen. Eigentlich ist das nur eine Brachfläche, doch Lashlee hegt den Wunsch, dass dort mehr passiert. „Die Fläche ist ja vorhanden und kostet nichts. Aber ein Perspektivwechsel der Bürger gehört dazu.“ Sie soll als Ort für alle Bürger wahrgenommen werden, der frei nutzbar ist.
Das wäre nichts Neues, denn ältere Anwohner berichten, dass es auf dem Gebiet früher einen Markt gab. Und auf dem ging es weniger um Obst und Gemüse, als vielmehr um Begegnung und Austausch. Nun soll die Brachfläche wieder regelmäßig genutzt werden. Und das am besten nicht-kommerziell. Zum Beispiel zum Boules-Spielen für alle. Damit das geschieht, braucht es nur Ideen und Leute, die Lust haben, diese auch zu verwirklichen. Bisher ist der Kiezrunde Niederschönhausen alles gelungen. Bleibt zu hoffen, dass es auch dieses Mal klappt.